Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

7. Praxiserfahrungen

Erfahrungsbericht von Regine Astrid Schmidt: Im Sommer 2003 hospitierte ich für 8 Tage an der Physiotherapie-Schule des Kantonsspitals in Zürich, wo sich das oben dargestellte „Züricher Modell“ entwickelte. In dieser Zeit begleitete ich als Beobachterin eine Woche lang eine Lerngruppe im 6. Semester, dem letzten Ausbildungsabschnitt, bei allen Schritten zur Lösung eines Fallbeispiels aus dem Themenbereich Pädiatrie. Stippvisiten im 4. Semester zum themenorientierten Lernen TOL vermittelten einen Eindruck vom Unterricht mit denselben Lehrern im eher konventionellen Sinne. Zusätzlich wurde mir Einblick in den Ablauf und die Inhalte eines Tutoren-Workshops ermöglicht. Intensive Gespräche mit den Studierenden, Tutoren, Dozenten, Ärzten, dem Entwicklungs- und Lehrer-Team einschließlich der Schulleiterin vermittelten ein starkes fachliches wie auch menschliches Interesse.

Beim Erleben der Lehr-Lernprozesse bei POL beeindruckte mich zuerst die Selbst­verständlichkeit der Lernenden, die Wissenslücken sofort eigenverantwortlich und gezielt zu schließen. Der Umgang mit der Fallarbeit erschien routiniert, wobei die Aufarbeitung der Probleminhalte und die Interaktion offenbar eine spannende Herausforderung darstellten. Bei Diskussionen erwiesen sich die Studierenden als sehr ideenreich. Komplexe inner- und interdisziplinäre Zusammenhänge wurden untereinander immer wieder thematisiert. Die Kreativität zeigte sich auch in der Präsentation der Ergebnisse, die methodisch ansprechend und originell in der Darstellung waren. In der Reflexion überraschte mich die differenzierte Kritikfähigkeit der einzelnen Schüler. Gerade im Umgang mit Fremdem strahlten die Lernenden das Vertrauen aus, ihm offen und unbefangen zu begegnen. Ich konnte mich also vor Ort davon überzeugen, dass die Vorteile von PBL tatsächlich realisierbar sind.
Anregende Fragestellungen von allen involvierten Personen zeigten ein sehr hohes Interesse an der eigenen und fremden Arbeits- und Lebenswelt. Die Lernbegleiter und Lerner engagieren sich offenkundig mit Herz und Seele. Bei allen war ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl und das Vertrauen auf entsprechende Fähigkeiten beim Gegenüber ersichtlich.
Allerdings war für dieses Ergebnis eine hoch motivierte Arbeit des Entwicklungs- und Lehrerteams notwendig. Bei der Umstellung des Curriculums gab es wenige Lehrer, die das Team aufgrund von Schwierigkeiten mit der neuen Grundeinstellung verließen. Anfänglich skeptische Lehrer, die dennoch offen waren, überzeugten sich von dem Gewinn der veränderten Ausbildung. Der Psychologe hat als Facilitator der Implementierung von POL (PBL) gerade in der Umstellungsphase sehr viel aufgearbeitet. Unzufriedenheiten, inner- bzw. interpersonelle Spannung und Zweifel am Gelingen des Projektes stellten immer wieder Hindernisse dar.
Es zeigte sich, wie wichtig die Transparenz der Entwicklung für involvierte Personen und Institutionen war. Mit denjenigen, die intensiv mit einbezogen wurden, war die Zusammenarbeit reibungslos möglich. Diejenigen, die sich vernachlässigt fühlten, haben noch heute Schwierig­keiten mit der neuen Form des Lernens. Studierende, die mit dieser Grundeinstellung nicht konform gehen, müssen die Schule verlassen, weil der Erfolg der Ausbildungsziele nicht gewährleistet ist. Werden also alle Lerntypen hinreichend berücktsichtigt?
Die Evaluation der Ausbildung ist zentral. Probleme werden umgehend angesprochen und aufgearbeitet, wobei eine zu schnelle Anpassung an vorläufige Ergebnisse ungünstig sein kann. Daher sollten mindestens zwei bis drei Ergebnisse von Gruppen zusammengetragen werden, um Änderungen vorzunehmen, wie etwa den Wechsel von nebenamtlichen Lehrern oder die Korrektur von Fallbeispielen. Supervisionen können für viele Situationen sehr hilfreich sein. Insgesamt zeigten alle an der Ausbildung Beteiligten viel Freude bei dieser Arbeit. Lediglich die Experten haben in den Sprechstunden einen teilweise schweren Stand, weil bestimmte Fragen immer wieder gestellt werden (müssen).
Heute zeigt sich das positive Ergebnis des Durchhaltevermögens: Das ganze herkömmliche Ausbildungssystem der Schule wurde ... überarbeitet, umgesetzt und evaluiert. ... Mittlerweile wurden an dieser Schule bereits vier Kurse nach POL erfolgreich abgeschlossen, und die Erfahrung zeigen, dass die Abgängerinnen und Abgänger aus dieser vierjährigen Ausbildung kompetente Arbeit als Physiotherapeutinnen leisten und von ihren Arbeitgeberinnen als praxisfähige Mitarbeitende geschätzt werden. Den Praktikanten und Absolventinnen dieser Schule wird von Praktikumsleiterinnen, Arbeitgebern und Berufskolleginnen - durchschnittlich gesehen - hohe Selbständigkeit, systematische Problemlösefähigkeit und eine als angenehm empfundene Selbstsicherheit attestiert. Dem steht die Ansicht gegenüber, dass Absolventinnen anderer Schulen im Durchschnitt etwas mehr Schulwissen mitbringen. ( Crittin 2004, S. 107)
Diese Ergebnisse sind für das Problem-Based Learning in allen Bereichen weltweit typisch. In Deutschland findet PBL (POL) aufgrund der Erfolge in der Medizinausbildung immer mehr Zuspruch. Das Gleiche gilt für die Ausbildungen im gesamten Gesundheitswesen, auch der Physiotherapie und Pflege ( Fischer 2004). Die ersten Annäherungen an PBL erscheinen erfolgversprechend. Valide Evaluationen stehen jedoch noch aus.
Deutlich wird auch, dass PBL nicht für jeden in jeder Situation geeignet ist. Bei entsprechender Zielsetzung sollten Institutionen und Pädagogen PBL als Möglichkeit zur Umsetzung prüfen, denn deutlich wird der moderne, demokratische Arbeitsansatz, der die multikulturelle Gesellschaft explizit berücksichtigt.

Im Hinblick auf konstruktive Veränderungen sei hier ein Motto des Lehrerteams der Züricher Physiotherapie-Schule zitiert: „Trust the process.”