Die Helene-Lange-Schule besteht seit 1847 –
zunächst als „Höhere Töchterschule", danach als Mädchengymnasium, in
das seit den 70er Jahren auch Jungen aufgenommen wurden. Die
Oberstufe wurde 1974 zu einem selbständigen Oberstufengymnasium in
der unmittelbaren Nachbarschaft ausgebaut. 1986 wurde die
Helene-Lange-Schule auf Antrag des Kollegiums und der Elternschaft
in eine Integrierte Gesamtschule für die Sekundarstufe I mit einem
eigenen pädagogischen Konzept umgewandelt. Seit 1986 ist die
Helene-Lange-Schule UNESCO-Projektschule und seit 1995
Versuchsschule des Landes Hessen mit dem Auftrag, das selbstständige
Lernen zu fördern.
Die Schule liegt am Rande der Wiesbadener
Innenstadt in einem Gebiet, das eher von großen Verwaltungsbauten
als von Wohnbebauung geprägt ist. Sie ist Angebotsschule für die
gesamte Stadt Wiesbaden; einige Schülerinnen und Schüler kommen auch
aus dem Umland. Der Charakter einer Angebotsschule, die bewusst
angewählt wird, führt zu einer hohen Identifikation vieler Eltern
mit der Schule und zu ihrer verlässlichen Beteiligung an vielen
Projekten und Veranstaltungen. Dies wird von der Schule besonders
gewünscht und gefördert.
Jahrgangseinheiten und eigene Reviere
Jedes Jahr werden 100 unterschiedlich begabte
Schülerinnen und Schüler aufgenommen, die in vier Klassen
unterrichtet werden. Jeder Jahrgang bildet auch räumlich eine
Einheit für sich. Zu dieser Einheit gehören vier Klassenräume, ein
„Schülertreff" – die gemeinsame Jahrgangsfläche für
klassenübergreifende Veranstaltungen, Ausstellungen und
Arbeitsmöglichkeiten für kleine Schülergruppen –, sowie ein
Lehrerzimmer. In den selbst gestalteten Räumen fühlen sich Schüler
und Lehrer „zu Hause". Die Ausstattung mit Lernmaterial, Werkzeugen,
Geräten usw. stellt eine anregende Lernumgebung dar. Für die
Gestaltung der Räume und ihre Instandhaltung übernehmen die Schüler
und ihre Lehrer gemeinsam die Verantwortung. Seit nunmehr 15 Jahren
werden Klassenräume und Schülertreffs von den Schülern selbst
gereinigt. Von dem eingesparten Geld, das die Stadt zur Verfügung
stellt, werden Künstler (Schauspieler, Maler, Musiker usw.)
finanziert, die mit den Lehrern gemeinsam Projekte leiten.
Verlässliche und beständige
Beziehungen
Die 100 Schülerinnen und Schüler eines
Jahrgangs werden von etwa 7-9 Lehrerinnen und Lehrern betreut, die
mit der Mehrzahl ihrer Stunden in diesem Jahrgang arbeiten. Dadurch
nehmen die Lehrerinnen und Lehrer ihre Schüler genauer wahr und
können sie beim Lernen eher ermutigen und ganz individuell
unterstützen. Ein solches Lehrerteam begleitet den Jahrgang in der
Regel von Klasse 5 bis 10 und ermöglicht so verlässliche und
belastbare menschliche Beziehungen. Freundlichkeit und gegenseitiger
Respekt zeichnet die Lehrer-Schüler-Beziehungen aus. Das
Selbstverständnis der Lehrerinnen und Lehrer ist von der
Verantwortung für die persönliche Entwicklung ihrer Schüler geprägt.
Über Jahre gewachsene genaue Kenntnis ermöglicht zudem eine
individuelle Laufbahn- und Berufsberatung.
Das "Andere Lernen"
Zum pädagogischen Konzept der
Helene-Lange-Schule gehört, dass nachdrücklich „andere Formen des
Lernens" praktiziert werden. Die Selbständigkeit der Schülerinnen
und Schüler wird von Anfang an gefördert und unterstützt. Das
Herstellen von Gegenständen und Modellen, das Erforschen der
Wirklichkeit außerhalb der Schule, das Experimentieren im
naturwissenschaftlichen Bereich gehört ebenso dazu wie etwas zu
organisieren, anderen zu helfen und die eigene Arbeit Mitschülern
und Eltern zu präsentieren. Einen großen Raum nimmt auch die
Darstellung ein: Theater- oder Puppenspiel, Radio oder Film, die
großflächige Leinwand, Wandzeitungen oder Ausstellungen bieten
vielfältige Ausdrucksmöglichkeiten. Öffentliche Aufführungen,
besondere Veranstaltungen, Feste und Feiern sind Foren für die
Präsentation der Arbeitsergebnisse.
Diese „anderen Formen des Lernens" werden
organisatorisch abgesichert durch die Einrichtung eines festen
vierstündigen Bereichs im Wochenstundenplan, dem „Offenen Lernen".
Ein flexibler Wochenstundenplan, der montags gemeinsam mit den
Schülern festgelegt wird, orientiert sich an den wechselnden
Erfordernissen der fächerübergreifenden Projektarbeit und
strukturiert die selbsttätige Arbeit.
Zu Beginn eines jeden Schuljahres erstellen
die Lehrerinnen und Lehrer des Jahrgangsteams einen
Jahresarbeitsplan, in dem die vorgesehenen Projekte und ihre
Verzahnung mit den Fächern festgelegt werden.
Die Kultur des Zusammenlebens und die
Öffnung nach außen
Zum pädagogischen Konzept der
Helene-Lange-Schule gehört es, Schule ausdrücklich als „Lebensraum"
zu definieren und eine Kultur des Zusammenlebens zu pflegen. Hierzu
tragen maßgeblich eine Reihe von Ritualen bei, die die Schul- und
Lebenszeit gliedern, die Zusammenarbeit erleichtern und Schülern wie
Lehrern Sicherheit und Halt geben. Dazu gehören Einrichtungen wie
der Montagmorgenkreis und der Klassenrat am Ende der Woche ebenso
wie die vielfältigen Feste und Feiern, die feierliche Aufnahme wie
die Verabschiedung der Schüler, das Schultheater und gemeinsame
Projekte, Praktika in den verschiedensten Jahrgängen, Aufenthalte im
Ausland und gemeinsames Reisen und Erkunden. Wichtig ist bei alledem
der Ernstcharakter: Die Begegnung mit Kindern, alten und behinderten
Menschen sowie der Arbeitswelt. Eine zentrale Aufgabe stellt dabei
die gemeinsame Sorge um ein Entwicklungshilfeprojekt in Nepal dar,
wo seit mehr als 15 Jahren mit der Unterstützung der Schule neue
Wasserleitungen und Schulen, eine kleine Teppichmanufaktur sowie ein
Krankenhaus gebaut wurden.
Bildungsgänge und Abschlüsse
Die Schullaufbahnen und Abschlüsse sind das
Ergebnis eines die gesamte Schulzeit der Sekundarstufe I umfassenden
Erfahrungs- und Selbsterprobungsprozesses. Der Weg der Jugendlichen
wird von der Schule sorgfältig begleitet. Verbindlich für alle
Schülerinnen und Schüler ist Englisch als erste Fremdsprache; im
Jahrgang 7 kann Französisch oder Latein gelernt werden; ab Klasse 9
besteht die Möglichkeit, Latein, Französisch oder Spanisch hinzu zu
wählen. Wer keine zweite Fremdsprache belegen möchte, findet
verschiedene Angebote im Wahlpflichtbereich vor.
In der Helene-Lange-Schule wird ganz bewusst
Heterogenität als Herausforderung angenommen und das gemeinsame
Lernen in den Vordergrund gestellt. Innere Differenzierung sowie
eine E/G Differenzierung im Klassenraum sichern die individuelle
Förderung und Forderung und verhindern Unruhe, Lerngruppenwechsel
und Auseinanderdividieren.
In den letzten Jahren haben die
Helene-Lange-Schule am Ende ihrer Schulzeit verlassen:
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Durchschnittlich 10% mit einem
Hauptschulabschluss, |
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Durchschnittlich 35% mit einem mittleren
Bildungsabschluss (Realschulab-schluss), |
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Durchschnittlich 55% mit einem mittleren
Bildungsabschluss mit einer Qualifikation für eine
weiterführende Schule der Sekundarstufe II (Fachoberschule
bzw. Gymnasiale Oberstufe) |
Seit einiger Zeit arbeitet die
Helene-Lange-Schule mit der Schule am Geisberg, einer Sonderschule
für Erziehungshilfe zusammen. In enger Kooperation und unter
Begleitung von erfahrenen Sonderpädagoginnen werden Jugendliche aus
der Sonderschule in den Klassen der Helene-Lange-Schule allmählich
an das Regelschulsystem gewöhnt und so wieder eingegliedert.
Selbststeuerung und Evaluation
Als Versuchsschule des Landes Hessen versteht
sich die Helene-Lange-Schule als eine Schule, die sich bewusst in
einem ständigen Entwicklungsprozess befindet, der sich neuen
Herausforderungen stellt, den Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen
und Schülern aber zugleich das Gefühl von Stabilität und
Verlässlichkeit vermitteln muss. Die enge Kommunikation im
Lehrerteam ist dabei Fortbildungsebene, Innovationsschmiede und
Rückhalt zugleich. Gemeinsam mit der Schulleitung reflektiert die
Planungsgruppe das schulische Geschehen und entwickelt die Schule
weiter; Schüler und Eltern sind in den jeweiligen Gremien in die
Diskussionsprozesse mit einbezogen. Jährliche Bilanztage in den
Teams reflektieren die Arbeit, ziehen daraus Schlüsse für das
anstehende neue Schuljahr und geben Erfahrungen an das nächste Team
weiter. Dem Blick von außen hat sich die Schule durch jahrelange
Zusammenarbeit mit einem „critical friend" sowie zahlreiche
Fremdevaluationen gestellt. Hierzu gehörten in den letzten Jahren
eine Absolventenstudie der Universität Jena, die TIMSS-Studie eines
ganzen Jahrgangs durch das Max-Planck-Institut, die Teilnahme an der
PISA-Studie sowie die Evaluation der hessischen Versuchsschulen
durch die Universität Kassel.
Literatur:
Gerold Becker, Arnulf Kunze, Enja Riegel,
Hajo Weber: Die Helene-Lange-Schule Wiesbaden: DAS ANDERE LERNEN -
Entwurf und Wirklichkeit, Hamburg 1997.
Olaf Köller, Norbert Trautwein: Schulqualität
und Schülerleistung, München 2003.
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