Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

3. Theoretische und praktische Begründung

 

>> 3.1. theoretische Begründung
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3.1. Theoretische Begründung

Die Szenario-Technik berücksichtigt, dass aus konstruktivistischer Sicht Lernen als aktiver und konstruktiver Prozess verstanden werden muss (vgl. Meixner & Müller 2004, S. 2). Jegliche Erfahrung, die im Lernprozess vom Lernenden gemacht wird, wird bestimmt von den physischen und psychischen Bedingungen des Lerners (vgl. Siebert 2005, S. 31). Der Lernende wird nur solche Informationen aufnehmen und verarbeiten, die in das subjektive Schema passen und sich demnach als viabel erweisen. Daraus lässt sich folgern, dass Wissen niemals – wie in einem Trichter – von einer Person an die andere Person übertragen werden kann. Lernen muss also in hohem Maße aktiv erfolgen. So wird sich das zu Lernende für die Lernenden als brauchbar und passend erweisen, zumal Lernende in ihrem Tun abschätzen werden, was zur Lösung eines gegebenen Problems überhaupt bedeutsam ist. Gerade dieser aktive, kreative Prozess ist in der Szenario-Technik aufzufinden, zumal die Entwicklung eines positiven und negativen Extremszenarios sowie eines Trendszenarios kreative Handlungen erfordern.
Ganz im konstruktivistischen Sinne werden die Lernergebnisse in der Szenario-Technik grundsätzlich sehr heterogen ausgestaltet sein (vgl. Meixner & Müller 2004, S. 2). Die Methode basiert auf der Entwicklung von Zukunftsvorstellungen und -visionen, so dass der Szenario-Methode eine hohe Ergebnisoffenheit zugesprochen werden kann. Gleichzeitig sind die Lernergebnisse zu einem hohen Grad ebenfalls unvorhersagbar, was ebenso für die Offenheit dieser Methode spricht.
Ein wesentlicher Teil der Szenario-Technik wird in Gruppenarbeit bearbeitet. Damit wird berücksichtigt, dass Sprache, Kommunikation und soziale Interaktion Eckpfeiler effektiven Lernens sind (vgl. Reich 2006, S. 200). Denn erst die handelnde, argumentative und diskursive Auseinandersetzung mit Anderen sorgt dafür, dass reflexives, selbsttätiges Denken angeregt wird (vgl. Rebmann 2004, S. 18). So wird jeder einzelne Lerner im Austausch mit Anderen seine eigenen Wahrnehmungen und Interpretationen überdenken und gegebenenfalls verändern, sofern die Mitlernenden passendere Erklärungen für Problemzusammenhänge liefern.
Grundsätzlich sollte sich Lernen an komplexen Problemsituationen orientieren (vgl. Kösel & Scherer 2002, S. 108). Dadurch dass in der Szenario-Technik vielfältige Einflussfaktoren berücksichtigt werden müssen, werden die Lernenden mit einer äußerst komplexen Aufgabe konfrontiert, auch wenn sicherlich nicht alle in der Realität vorkommenden Einflussfaktoren in der Szenario-Methode in die Aufgabenstellung aufgenommen werden können. Der Grad der Komplexität kann von der Lehrkraft also über die Anzahl der zu berücksichtigenden Einflussfaktoren gesteuert werden.
Die Szenario-Technik zeichnet sich durch einen hohen Grad an Partizipation aus, die Schüler/innen stehen im Fokus des Unterrichts. Lehrkräfte haben – ebenfalls im konstruktivistischen Sinne – vielmehr eine Beratungs- und Begleitungsfunktion und das traditionelle Verhältnis zwischen Lehrkraft und Schüler/innen verschiebt sich (vgl. Meixner & Müller 2004, S. 2).

Verweise:
Kösel, E. & Scherer, H. (2002). Konstruktionen über Wissenserwerb und Lernwege bei Lernenden. In R. Voß (Hrsg.), Die Schule neu erfinden. Systemisch-konstruktivistische Annäherungen an Schule und Pädagogik (S. 105-128). Neuwied: Luchterhand.
Meixner, J. & Müller, K. (2004). Angewandter Konstruktivismus. Aachen: Shaker.
Rebmann, K. (2004). Didaktik beruflichen Lernens und Lehrens. Grundlagen der Weiterbildung-Praxishilfen (GdW-Ph), 57, S. 1-20.
Reich, K. (2006). Konstruktivistische Didaktik. Weinheim: Beltz.
Siebert, H. (2005). Pädagogischer Konstruktivismus. Weinheim: Beltz.


3.2. Praktische Begründung

Die Szenario-Technik stellt ein ganzheitliches und transparentes Verfahren dar, fordert Kreativität, Partizipation und Kommunikation. Sie fordert zur Kritik auf und bietet die Möglichkeit der interdisziplinären und multidimensionalen Nutzung. Somit ähnelt das Format in der Anlage der Komplexität in privaten und beruflichen Alltagssituationen und eignet sich daher besonders zur Förderung von Handlungskompetenz, um Lernende zu befähigen, sich in variierenden Situationen kompetent zu verhalten (vgl. Kösel & Scherer 2002, S. 108). Insbesondere durch ihre halboffene Gestaltung (im Minimalfall werden lediglich Zeitvorgaben und ein grobes Strukturierungsschema mittels des positiven und des negativen Extremszenarios sowie des Trendszenarios vorgegeben) und die daraus resultierenden vielfältigen Entscheidungsspielräume für die Lernenden bietet diese Methode einen geeigneten Rahmen für selbstgesteuertes Lernen.
Gleichzeitig bietet die Methode die Möglichkeit der Komplexitätsreduktion, um den Lernenden Problematiken des privaten, gesellschaftlichen, beruflichen, sozialen oder politischen Lebens noch begreifbar zu machen (vgl. Weinbrenner 2001). Den Lehrenden ist also mit dieser Methode ein Mittel an die Hand gegeben, durch zusätzliche Informationstexte oder beispielsweise die Veränderung der einbezogenen Variablen die Komplexität der Lerngruppe entsprechend anzupassen. Dabei kann die Lehrkraft Einzelarbeit, aber auch Partner- und Gruppenarbeit vorsehen, so dass eine Aufsplittung des Klassenverbandes in Kleingruppen die Möglichkeit sowohl homogene Bearbeitung eines Themenfeldes als auch durch unterschiedliche Fragestellungen eine Differenzierung innerhalb des Klassenverbandes ermöglicht.
Darüber hinaus hat die Szenario-Methode hinsichtlich des Aspekts der Situiertheit eine große Bedeutung. Damit die Lehrenden an die Erfahrungswelt der Lernenden anknüpfen können, müssen sie in der Lage sein, Vorstellungen darüber zu entwickeln, wie der Entwicklungsstand sowie die Begriffsstrukturen der Lernenden ausgestaltet sind (vgl. Diesbergen 1998, S. 81 f.). Die Strukturierung des Vorgehens mit Hilfe des Szenario-Trichters sowie die schriftliche Fixierung und anschließende Diskussion der Szenarien stellen eine dokumentierte Darstellung vorhandener Denkstrukturen und Argumentationsmuster der Lernenden zu konkreten Problemstellungen dar, Erfahrungen der Lernenden werden demzufolge aktiviert, die für die Entwicklung weiterer Unterrichtssequenzen genutzt werden können.
Im Rahmen der Szenario-Technik können den Lernenden vielfältige Möglichkeiten geboten werden, um Präsentationstechnik sowie weitere Methodenkompetenzen zur Strukturierung und Darstellung von Standpunkten, Meinungen und Argumentationsketten einzuüben. Dabei wird den  Lernenden Gelegenheit geboten, neben der individuellen Perspektive auf eine Problemstellung auch eine gesamtgesellschaftliche, politische oder unternehmerische Sichtweise zu generieren und vor dem Hintergrund ihrer eigenen Handlungsspielräume zu reflektieren (vgl. Weinbrenner 2001).
Insgesamt hilft die Szenario-Technik der Lehrkraft gerade beispielsweise bei aktuell-politischen Diskussionen, Themen der nachhaltigen Entwicklung oder auch innovativen Unternehmensstrategien, also Themen, bei denen sich eventuell sowohl Lehrkräfte auf Neuland begeben – aufgrund mangelnder Lehrmaterialien oder höchster Aktualität – als auch Lernende, weil sie erstmalig mit diesen Themen konfrontiert werden, eine Struktur zur Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung sowie Argumentation zu finden (vgl. Bloemen & Porath 2009, S. 15 f.; Weinbrenner 2001).

Verweise:
Bloemen, A. & Porath, J. (2009). Testaufgaben für die Diagnose von Kompetenzentwicklung im Modellversuch HaBiNa. Werkstatt- und Forschungsberichte zum Modellversuch Handwerkliche Aus- und Weiterbildung für Nachhaltigkeit, Universität Hamburg, 4.
Diesbergen, C. (1998). Radikal-konstruktivistische Pädagogik als problematische Konstruktion: eine Studie zum radikalen Konstruktivismus und seiner Anwendung in der Pädagogik. Bern: Lang.
Kösel, E. & Scherer, H. (2002). Konstruktionen über Wissenserwerb und Lernwege bei Lernenden. In R. Voß (Hrsg.), Die Schule neu erfinden. Systemisch-konstruktivistische Annäherungen an Schule und Pädagogik (S. 105-128). Neuwied: Luchterhand.
Weinbrenner, P. (2001). Szenariotechnik. Sowi-online. URL:
http://www.sowi-online.de/methoden/dokumente/szenariotechnik.htm.