5.
Beispiele
Da das szenische Spiel zum Einfühlen
in und Nachvollziehen von erlebten oder vorgestellten sozialen Situationen
dient, liegt in eben diesen empathischen Voraussetzungen der Schlüssel
zu erfolgreichen Lernprozessen.
Wenn zum Beispiel der Themenkomplex „Jugend und Gewalt“
erarbeitet werden soll, dann ist für ein nachhaltiges Verständnis
von Entstehung, Verlauf und Wirkung von Gewaltsituationen und die
gewaltfreie Konfliktbewältigung, des Eingreifens und der Gegenwehr
die gründliche szenische Erkundung dieses Themenfeldes eine
sinnvolle und elementare Voraussetzung. Dazu gehört z.B. die
Erkundung von Räumen und Orten, an denen sich gewaltbereite
Jugendliche aufhalten könnten (Jugendzentren, U-Bahn usw.)
oder von Gegenständen, die für deren Selbstdarstellung
wichtig sind, so z.B. Messer, Ketten oder Zigaretten. Aber auch
Musik, Körperhaltungen, Gestik und Mimik, Sprechhaltungen,
Handlungen und Handlungsweisen, die für gewaltbereite Jugendliche
signifikant sein könnten, szenisch zu erkunden, bedeutet, sich
mit ihren Einstellungen und Gefühlen auseinander zu setzen.
Nachdem dies geschehen ist, kann das Ziel, Vorstellungen und Haltungen
gegenüber gewalttätigen Jugendlichen zu entwickeln, in
einer sog. Lerneinheit angegangen werden. Zu einer Lerneinheit gehört
neben der Erkundungsphase auch die Aneignungsphase: „Die Teilnehmerinnen
zeigen und interpretieren in Kleingruppen Situationen, in denen
sie Jugendliche (bzw. Erwachsene gegenüber Jugendlichen) als
gewalttätig wahrgenommen haben, anhand von situationsbezogenen
Standbildern. Die Situationen können selbst erlebt sein oder
aus Erzählungen, Texten, Filmen oder Bildern stammen. Anschließend
bringen sie die Bilder in eine Reihenfolge und präsentieren
sie im Plenum, wobei die Standbild-Bauer ihrem Bild jeweils einen
Titel geben und durch ein Zeichen das nächste Bild aufrufen.“
(Scheller 1997, 184)
Im Anschluss daran steht die Interpretationsphase, die unterschiedlichen
Inhalts sein kann. Zum einen kann eine Szene, ein Ereignis improvisiert
werden (z.B. eine Erpressung und anschließende Schlägerei
auf dem Schulhof), oder aber eine Art Nachrichtenbericht mit Standbildserien,
Ereignisketten und Situationen in unterschiedlichen Besetzungen.
Des weiteren ist es auch möglich, lediglich Bilder zu beschreiben
oder nachzustellen, Körperhaltungen zu erproben oder Erlebnisgespräche
mit dem Spielleiter zu führen. Ferner sind auch szenische Interpretationen
von Dramenszenen (z.B. „Wer kommt denn da?“, in: R.W.
Fassbinder, Katzelmacher, 27) oder literarische Texte (z.B. Hachfeld:
„Eins auf die Fresse“ oder Welsh: „Sonst bist
du dran“) denkbar (vgl. dazu Scheller, 1997, 180 ff.).
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