Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

6. Reflexion der Methode


>> 6.1 Methodenkompetenz
>> 6.2 Methodenvielfalt
>> 6.3 Methodeninterdependenz


6.1 Methodenkompetenz

Um die Arbeit mit und an einem Theaterstück durch eine gelungene Aufführung abzuschließen, bedarf es neben dem Selbstvertrauen zu solch einem großen Projekt auch eine Menge Zeit und Ausdauerwillen seitens aller Beteiligten. Der zeitliche Aufwand hängt entscheidend mit den Anforderungen des Stückes, der Motivation der Schüler und ihren bisherigen Erfahrungen mit solchen Projekten zusammen. Auch „kleinere“ Aufführungen erfordern einen hohen organisatorischen und planerischen Aufwand. Besteht die Bereitschaft, die damit verbundenen Anstrengungen auf sich zu nehmen, so muss auch der Lehrer vor allem Durchhaltevermögen zeigen. Eine Aufführung verlangt einem Lehrer durch seine verantwortungsvolle Position sehr viel ab. So ist beispielsweise sein Einfühlungsvermögen in die Kompetenzen und Interessen der Schüler gefragt, wenn es um die Auswahl des Aufzuführenden und das Maß der Eigenverantwortung der Schüler in dem Arbeitsprozess geht. Zudem sind theaterpädagogische Vorkenntnisse für die Durchführung des Projektes notwendig. Der Lehrende muss in jedem Fall ein ausgewiesener Beziehungsdidaktiker sein, dem es Spaß macht, einen engen und persönlichen Kontakt zu den Teilnehmern zu pflegen.

Eine Aufführung basiert auf der Verknüpfung von unterschiedlich strukturierten Arbeitsprozessen auf verschiedenen Ebenen. Neben der Rollenarbeit muss z.B. auch die Gestaltung des Bühnenbildes und der Kostüme sowie auch organisatorische Aufgaben (Raum und Zeit der Aufführung, Werbung usw.) von Beteiligten übernommen werden. Bevor die Arbeit an einem Theaterstück losgeht, sollte der Lehrer daher mögliche Hilfen durch andere Lehrende einfordern. Der fächerübergreifende Ansatz funktioniert, indem zum Beispiel Kunstlehrer mit Schülern das Bühnenbild schaffen. Die Erfahrung des ersten „kalten Sprungs ins Wasser“ vermag so in einem sowohl für Schüler als auch für den Lehrer produktiven und anregenden Prozess zu münden. Die Arbeitsteilung und das Bewusstsein der Verant­wortlichkeit eines jeden Beteiligten für den Erfolg des gemeinsamen Projektes bewirkt, dass Lehrer und Schüler sich zu einem Arbeitsteam „zusammenschweißen“. Häufig sprechen die Schüler dann davon, dass sie durch diese Projekte auch die persönliche Seite des Lehrers kennen gelernt haben, was auf eine ganz besondere, im schulischen Alltag eher ungewöhnliche Arbeitssituation hindeutet. Diese neue Ebene des schulischen Miteinanders kann die Grundlage für eine stärker eigenverantwortliche und selbsttätige Strukturierung des Lernens auch im alltäglichen Unterrichtsgeschehen bilden. Sowohl Lehrer als auch Schüler erfahren viel über die eigene Individualität und ihre Fähigkeiten wie auch über die individuellen Besonderheiten des Anderen. Für den Lehrer birgt dies die Möglichkeit, die individuellen Kompetenzen und Interessen der Schüler besser einzuschätzen und auf diese einzugehen. Die Schüler entdecken ihre eigenen Gestaltungsmöglichkeiten und trauen sich dadurch mehr zu. Dieses Zutrauen hinsichtlich des eigenen Handelns ist wesentlich für Lernprozesse, die auf der Selbsttätigkeit der Lernenden basieren. Zudem kann die gemeinsame Arbeit eine hierarchische Rollenverteilung von Schülern und Lehrer, die ggf. durch ein Gegeneinander beider Parteien gekennzeichnet ist, aufweichen und einen eher partnerschaftlich-demokratischen Bezug zueinander bewirken, durch den ein Möglich­keitsraum der Mitbestimmung seitens der Schüler geschaffen wird. Auch dies fundiert den Einsatz lernerorientierter Methoden, die das eigenverantwortliche und selbsttätige Lernen der Schüler fordern und fördern. Letztlich ist eine positiv bestimmte Beziehung zwischen Lehrendem und Lernenden grundsätzlich fruchtbar für die Arbeitsatmosphäre und das inhaltliche Lernen. Jeder weiß wohl aus eigener Erfahrung als Schüler, dass dem Unterricht eines als sympathisch empfundenen und geschätzten Lehrers, der selbst ein wohlwollendes und ehrliches Interesse an der Förderung der Lernenden zeigt, aufmerksamer und motivierter gefolgt wird, als jenem eines unsympathischen (vgl. zur Beziehungsseite auch ausführlich Kersten Reich: Konstruktivistische Didaktik).

Durch Theaterprojekte, die letztlich immer mit einer Aufführung verbunden werden sollten, können die Schüler mit ihren individuellen „Begabungen“ gefördert werden, wobei die konstruktivistische Didaktik mit Howard Gardner von multiplen Intelligenzien, d.h. mit unterschiedlichen Begabungen bei allen Lernern ausgeht. Hier kommt es darauf an, dass ein jeder Lerner seine oder ihre Stärken findet. Dabei darf ein „Stargefühl“ einzelner Schüler im Sinne von ich bin viel besser als ihr nicht aufkommen. Dieses sollte durch die Kommunikation in der Gruppe unterbunden werden, so dass die Erweiterung der Sozial­kompetenz und die Fähigkeit zur Teamarbeit nicht beeinträchtigt wird. Die Förderung von diesen Kompetenzen auf der Beziehungsebene beschreibt einen wesentlichen Vorteil solcher Projekte. Durch die gemeinsame Arbeit wird der Beziehungshorizont geöffnet, da sich die Schüler untereinander austauschen und sich gegenseitig abstimmen müssen, um die einzelnen Arbeitsprozesse zu verbinden und eine in sich stimmige Aufführung zu verwirklichen. Dazu gehört auch die Bereitschaft, sich selbst, seine Handlungen und Verhaltensweisen dem Anderen gegenüber zu reflektieren und auch dem Anderen ein Feedback über dessen Arbeit zu geben und ggf. Konflikte anzusprechen. Im Rahmen eines Aufführungsprojekts ist allen an einem Gelingen gelegen, zugleich entsteht ein Bewusstsein für die Relevanz der Zusammenarbeit. Entsprechend motiviert sind die Beteiligten solche „Beziehungsarbeit“ unter demokratischen Vorzeichen zu leisten und dadurch die dazu notwendigen Kompetenzen in eigener aktiver und handlungsorientierter Erfahrung zu üben.

Ist einmal der Schritt zu der Verwirklichung einer Aufführung getan worden, so hilft bei weiteren Projekten die zunehmende Erfahrung des Lehrers und der Schüler mit der Arbeit besser umzugehen. Folglich sollten der Anspruch, die Form und der Schwierigkeitsgrad des Inhaltes der Aufführung an den „Erfahrungsstand“ der Beteiligten angepasst werden. Diesbezüglich eröffnen Aufführungen durch die Offenheit des zur Darstellung Kommenden einen weiten Möglichkeitsraum: Auch jüngere Kinder und Schüler können gemäß ihrer Kompetenzen und Interessen eine Aufführung mitgestalten. Sicherlich unterscheidet sich eine solche Aufführung formal und inhaltlich wesentlich von Projekten beispielsweise eines Literaturkurses der Oberstufe. Auch die Rolle des Lehrenden innerhalb der Durchführung dieser Prozesse bestimmt sich durch die Bedürfnisse der Lernenden.

Neben der Förderung des Selbstbewusstseins und Selbstvertrauens in die eigenen Darstellungs- und Handlungsmöglichkeiten, der sozialen Kompetenzen und des Beziehungs­gefüges Lehrer-Schüler, auf der in dieser Reflexion bisher die Betonung lag, verspricht ein Projekt, an dessen Ende eine Aufführung steht, auch Lernerfolge, die auf der Ebene des Unterrichtsstoffes und dessen Zielsetzung verortet sind. In Hinsicht auf musikalische Präsentationen wird dies besonders deutlich. Doch auch Unterrichtsfächer wie Deutsch, Geschichte oder Politik werden durch solche Projekte besonders bereichert. So bietet die Arbeit an einem Theaterstück die Möglichkeit, sich einer Thematik auf verschiedenen Wegen intensiv zu widmen. Die theoretische Behandlung verbindet sich mit konkreter Handlung und sinnlicher Erfahrung. Diese Verknüpfung findet sich in verschiedenen Arbeitsprozessen: Sie prägt schon die Gestaltung des Bühnenbildes, der Kostüme, des Lichts und der akustischen Untermalung, da diese auch der intellektuell erarbeiteten Interpretation des Inhalts des Stückes gerecht werden muss. Auch die Rollenarbeit wird durch inhaltliche Reflexionen begleitet, der dabei notwendige Perspektivenwechsel, mit anderen Worten: die Einfühlung in die Rolle bzw. in den Dargestellten, vermag eine erweiterte Einsicht in den Inhalt und den Sinn des dramaturgischen Verlaufs zu geben. Hierbei kann insbesondere zwischen Selbst- und Fremdbeobachtungen gewechselt werden, was die soziale Kompetenz der Beteiligten erheblich erweitert.

Auf der Grundlage dieser Horizonterweiterung bezüglich der inhaltlichen Bedeutung des Theaterstückes, verbunden mit der eigenverantwortlich-selbsttätigen Strukturierung sowie der Gruppen- und Lernerorientierung des Arbeitsprozesses, kann ein reflektierter und intellektuell anspruchsvoller Umgang mit dem Lernstoff unter dem Vorzeichen einer diskursiven Beobachtervielfalt angestrebt werden.


6.2 Methodenvielfalt

Aufführungen bilden in den verschiedensten Bereichen einen guten Abschluss einer Projektarbeit. Neben der Aufführung eines Theaterstücks oder Musiktheaters, also einer Oper, eines Musicals oder einer Operette, können Schüler an Konzerten von Chören, Big-Bands, Rockbands oder, bei großen Schulen, sogar von einem Orchester beteiligt sein und sich so vor einem Publikum präsentieren. Entsprechend vielgestaltig sind die Projekte, die letztlich in einer Aufführung münden. So besteht im Rahmen mehrerer Schulfächer die Möglichkeit, Projekte durchzuführen, an deren Ende eine Präsentation geplant wird.

Je nach Aufführungsart impliziert die Projektarbeit ein breites Netzwerk verschiedener Arbeitsprozesse, die unterschiedliche Handlungsabläufe und damit je andere Kompetenzen der Agierenden erfordern und fördern. Allen Teilnehmern gemein sind dabei die Erweiterung ihrer sozialen Kompetenzen und die Aufgabe, zu bestimmten Teilen eigenverantwortlich und selbsttätig zu handeln. Die Differenzierung des Projektes in verschiedene Aufgabenbereiche ermöglicht den Schülern, sich je nach Interesse für einen Arbeitsprozess (und somit Lernweg und Übungsfeld) zu entscheiden und zu engagieren. So sind in der Methode des Projekts die Elemente der Lernerzentriertheit und der Mitbestimmung der Lernenden prinzipiell enthalten.

Das Planen, Gestalten, Einüben und Aufführen einer Präsentation erlaubt ein mehr­dimensionales, vielschichtiges Lernen. Ist etwa das Durchnehmen eines Theaterstücks Teil des Unterrichtsstoffes, dann kann die intensive Auseinandersetzung mit diesem anhand eines Theaterprojekts ein (inhaltliches) Lernen verwirklichen, das nicht nur auf eine theoretische Abhandlung beschränkt bleibt, sondern durch einen erfahrenden und handelnden Zugang vertieft wird. Zugleich werden dabei beziehungsorientierte Lernziele, wie konstruktiv-kommunikative Verhaltensweisen in der Gruppe, erreicht und das Selbstwertgefühl des einzelnen Schülers gesteigert.

Neben der Freude, die eine solche (selbst bestimmte und erprobende) Arbeit bereitet, erhöht die Aussicht auf eine Aufführung vor Publikum dabei die intrinsische Motivation der Schüler. Diese Motivationshilfe ist vor dem Hintergrund relevant, dass trotz der Breite an Handlungsmöglichkeiten innerhalb einer auf eine Aufführung ausgerichteten Projektarbeit gerade in der Phase der Einübung von Rollen die Geduld der Spieler strapaziert werden kann. Die stete Wiederholung, welche diese Form der Rollenarbeit kennzeichnet, erweist sich jedoch als bedeutungsvoll für den Erfolg der Aufführung. Die Einsicht in den Sinn dieser Anstrengung grundiert das „Durchhaltevermögen“ zur konsequenten Fortführung der Arbeit.

Die konstruktivistische Didaktik legt großen Wert darauf, dass aufgrund der genannten Vorteile alle Schüler und Schülerinnen möglichst zahlreiche Erfahrungen mit Aufführungen machen können. Für uns gehört es zum notwendigen Profil einer „guten“ Schule, dies auch hinreichend zu ermöglichen.


6.3 Methodeninterdependenz

Ein Aufführungsprojekt zu realisieren übt Selbsttätigkeit, Verantwortungsbereitschaft und Teamfähigkeit, gleichzeitig ist es, je nach Anspruch der Aufführung, sinnvoll, vor der Mitarbeit an einem solchen Projekt schon Erfahrungen mit Aufgaben gesammelt zu haben, die durch eigenständiges und gruppenorientiertes Handeln bewältigt und bearbeitet wurden. Dies können Projekte sein, die auf eine andere Thematik ausgerichtet sind, Gruppenarbeiten im Allgemeinen oder Freiarbeit, auch wenn hier der Gruppenaspekt nicht im Vordergrund steht. Auch das Vertrautsein mit einigen systemischen Methoden, wie Feed-back, Szenisches Spiel oder Skulpturen, ist zum einen hilfreich, Spannungen in der Gruppe anzusprechen bzw. zu überwinden und zum anderen dazu, sich in Rollen einzufinden, also die Perspektive des Darzustellenden einzunehmen. In Hinsicht auf Letzteres können auch die Technik der Fantasiereise und die Methode des Rollenspieles dienlich sein.

Um eine Aufführung gemeinschaftlich zu verwirklichen, bedarf es der Zusammenarbeit aller Beteiligten, so müssen auch der Lehrende und die Schüler in eine partnerschaftliche Beziehung treten. Dem Lehrer stellt sich damit die Aufgabe, die Verantwortung für das Gelingen des Arbeitsprozesses mit den Schülern zu teilen und ihnen auf einer stärker gleichberechtigten Ebene zu begegnen als es das traditionelle und gewohnte Rollenbild vorsieht. Entsprechend verändert sich auch sein Bezug zu den Schülern auf der persönlichen Beziehungsebene. Diese Veränderungen wirken über die Projektarbeit hinaus, haben also Konsequenzen für das Miteinander im weiteren Unterrichtsverlauf. Die gemeinsame Arbeit an einer Ausstellung bietet die Chance, vor dem Hintergrund dieses Rollenverständnisses eigenverantwortliches, selbsttätiges Lernen im alltäglichen Unterricht einzuführen oder zu verstärken. Ein Rückfall in ggf. alte Rollenmuster ist hingegen problematisch, da dies einerseits die Möglichkeit eines im höheren Maße eigenständigen, konstruktiven und partizipativen Lernens verhindert und somit andererseits schlichtweg einen Bruch im methodischen Stil bedeutet, der für die Lernenden nicht nachvollziehbar ist.