Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

7. Praxiserfahrungen

 

Mafia

(Lieblingsspiel auf konstruktivistischen Kompaktseminaren an der Uni Köln)

Dieses soziale Interaktionsspiel kann in unterschiedlichen Variationen eingesetzt werden. Es zielt sowohl auf verbale als auch nonverbale Selbst- und Fremdwahrnehmungen und bereitet Spannung und Spaß in Gruppen (optimal von 10 bis 20 Teilnehmern).

Regeln:

  • Mittels Karten werden zwei Mafiosi, ein Detektiv und ein Rest an braven Bürgern gezogen.
  • Ein Spielleiter, der nach jeder Runde wechselt, überwacht die Regeln und kontrolliert das Spiel. Er trägt wiederkehrend die Rahmengeschichte vor und reguliert die Zeitphasen.
  • Der Spielleiter eröffnet das Spiel (z.B. mit folgender Geschichte): „Es ist Morgen. Die Sonne scheint. Ein furchtbar warmer Tag. Die ganze Zeit arbeiten, schwitzen, den Reichtum mehren, und jetzt am Abend, immer müder ins Bett gehen. Alle schließen die Augen. Ein tiefer Schlaf erfasst die Stadt und alle schlafen tief.“ Er wartet bis alle tatsächlich die Augen fest geschlossen haben.
  • Der Spielleiter fährt fort: „Da erwacht die Mafia. Sie öffnet die Augen und schaut sich nach einem Opfer um, das sie heimtückisch und leise mit dem Messer ermorden wird. Wer wird es sein?“
  • Die zwei Mafiosi öffnen die Augen, ohne dass dies von den anderen bemerkt werden soll.
  • Der Spielleiter fährt fort: „Da erwacht der Detektiv. Er ist der einzige, der das schreckliche Geschehen sehen wird, aber wird man ihm glauben?“
  • Der Detektiv öffnet die Augen, darf aber nichts sagen.
  • Die beiden Mafiosi dürfen nun mit ihren Blicken morden. Sie müssen sich auf einen zu ermordenden Bürger einigen und dem Spielleiter allein mit den Augen bzw. möglichst geräuschlos signalisieren, wer sterben soll. Dann schließen sie wieder die Augen.
  • Spielleiter: „Die Mafia ist verschwunden. Der Detektiv ist wieder in tiefen Schlaf gefallen und hat die Augen geschlossen. Ein heimtückischer Mord ist geschehen. Tot ist …“ (und der Name des ermordeten Bürgers wird genannt).
  • Nun sind alle wach. Die Bürger versuchen herauszubekommen, wer die Mörder sind. Jeder darf frei sprechen und Mutmaßungen äußern. Die Mörder verstellen sich. Der Detektiv versucht, seine Meinung einzubringen, aber auch ein Mörder könnte sich als Detektiv ausgeben. Eine rege Diskussion setzt ein.
  • Der Spielleiter gestaltet die Zeitgebung, indem er z.B. die Kirchturmuhr schlagen lässt. Zuvor hat er festgesetzt, dass vor Einbruch der Dämmerung ein Mörder gefasst werden muss. Dann kommt es zur Abstimmung aller Bürger und die einfache Mehrheit entscheidet darüber, wer verdächtig ist.
  • Wer gestorben ist, kann das Geschehen beobachten, darf aber nichts sagen.
  • Der Spielleiter organisiert die Abstimmung. Nach der Abstimmung deckt der Verdächtige seine Karte um. Jetzt zeigt sich, wer getötet wurde: ein Bürger, der Detektiv oder ein Mafiosi. Gewonnen haben die Bürger, wenn sie die Mafia schnappen. Gewonnen hat die Mafia, wenn sie zu zweit zwei Bürgern oder allein einem Bürger gegenüberstehen.
  • Nach einer Runde erklärt sich jemand als Spielleiter bereit und die Karten werden neu gezogen.

Dass Spiel ist gruppendynamisch spannend und zeigt, wie selbst zuvor harmlos scheinende MitspielerInnen zu großen Lügnern werden können. Jeder Teilnehmer kann sich in unterschiedlichen Rollen erleben und erfährt ganz konkret die Bedeutung von Rhetorik, Manipulation und Überredung einzelner und Gruppen.

Es gibt etliche Variationen, so lässt sich das Spiel z.B. analog auch während einer Jugendfreizeit spielen. Immer wenn die zwei Mafiosi einem Bürger gegenüberstehen, können sie ihn töten. Er darf dann nicht mehr sprechen und geht zum Spielleiter. Die anderen versuchen später (bei regelmäßig am Tag stattfindenden Treffen) herauszufinden, was geschehen ist.

 

Integrative Kajaktour mit hörgeschädigten Kindern und Jugendlichen

( August 2003, Erlebnisbericht von Leonie v. Czarnecki)

Die Kajaktour auf der Drawa in Polen war ein gemeinsames Projekt der Deutsch-Polnischen-Alternative e.V. (im folgenden DPA abgekürzt) und des Ohrwerk-Ruf e.V. Die Gruppe war integrativ zusammengesetzt. Von der DPA fuhren ca. 18 Personen teils polnischer Herkunft im Alter von 16 bis 23 Jahren mit. Über das Ohrwerk reisten insgesamt 15 Personen zwischen 12 und 23 Jahren, von denen 10 Hörschädigungen sehr unterschiedlicher Ausprägung (von schwerhörig bis gehörlos) hatten. Die technischen Leiter der Fahrt wurden von der DPA gestellt, 3 Zusatzbetreuerinnen (eine davon selbst schwerhörig) vom Ohrwerk. Zusätzlich war ein Betreuer über den „Gelsensport“ dabei.

Ablauf:

Nach Anreise mit Zug und Bus schlief die Großgruppe die erste Nacht auf einem Zeltplatz am Lubiesee, wo auch die letzten vier Tage wieder verbracht wurden. Von dort ging es am nächsten Tag mit Zweier-Kajaks los. Bis auf wenige Ein-Tages-Pausen zwischendurch ging es jeden Tag ein Stück weiter durch die Fluss- und Seenlandschaft Drawa. Campiert wurde auf Biwaks in mitgebrachten Zelten. Versorgt wurde die Gruppe durch einen polnischen Koch, der einmal täglich warmes Essen brachte und bei dem Vorräte für Frühstück und Abendessen bestellt wurden. Gewaschen wurde sich im Fluss oder See, als Toilette diente der Wald oder Plumpsklos. Zelte, Taschen und Vorräte wurden in den Kajaks selbst mittransportiert. Ein Großteil des Tages war mit Auf- und Abbau der Zelte, Ein- und Ausladen der Kajaks und natürlich Kajakfahren ausgefüllt. Die restliche Zeit wurde mit Essen, Schlafen, Spielen und (teils singend) am Lagerfeuer verbracht. An den freien Tagen gingen viele Teilnehmer zum Einkaufen ins nächste Dorf oder zum Kicken auf dem nächsten Fußballplatz. Am Lubie-See gab es zudem die Möglichkeit zu Segeln, zu Surfen und zu Schwimmen.

Reflexion:

Die intensive Beschäftigung mit dem Thema Erlebnispädagogik vor und nach der Fahrt warf für mich die Frage auf, ob diese, von mir betreute, Kajaktour überhaupt dem Begriff Erlebnis­pädagogik zugeordnet werden konnte. Besonders als ich auf die von Galuske aufgeführten Merkmale stieß, begann ich zu grübeln: Ich überprüfte im Kopfe ein Merkmal nach dem anderen und stellte zufrieden fest, dass unsere Tour sowohl handlungsorientiert und ganzheitlich („Kopf, Herz und Hand ...na ja, passt schon“) war, als auch einen gewissen Ernstcharakter nicht verleugnen konnte. Schließlich verboten sich bestimmte Verhaltensweisen allein, weil sie gefährlich waren, andere boten sich an, um den Tagesablauf zu vereinfachen. Auch eine Gruppe als Lerngemeinschaft konnten wir aufweisen; unsere war sogar in mehrfacher Hinsicht integrativ (Polen, Deutsche und Hörgeschädigte mit großen Altersunterschieden). Die ganze Unternehmung hatte sicherlich auch einen Erlebnischarakter, allein schon der sehr einfachen Verhältnisse wegen, unter denen wir schliefen, aßen, zur Toilette gingen und uns wuschen. Einzig das pädagogische Arrangement löste in mir leise Zweifel aus. Schließlich waren wir nicht mit einer expliziten pädagogischen Zielsetzung losgefahren. Vom Ohrwerk aus gab es sicherlich gewisse Grund­annahmen darüber, welche positiven Auswirkungen solch erlebnisreiche Fahrten (das Ohrwerk bietet auch Skifreizeiten, Ferien auf dem Bauernhof u.a. an) auf die Teilnehmer haben. Auch ich hatte bestimmte Vorstellungen davon, was ein so intensives gemeinsames Erleben alles bewirken könnte: Die tägliche Auseinandersetzung mit der Gruppe, die unmittelbare Konfrontation mit Konflikten, kurzzeitiges Zurücklassen von problembeladenen Strukturen in Schule und Elternhaus, die Kommunikation mit Teilnehmern ohne Hörschädigung, das Erleben von Natur und Bewegung ...

Über Erlebnispädagogik gelesen hatte ich schon einiges. Nur hatten wir deshalb noch lange kein Konzept oder klar definierte Zielrichtungen. Von uns drei Zusatzbetreuerinnen war nur eine schon einmal auf einer Kajaktour mitgefahren. Ich selbst war noch auf keiner vom Ohrwerk angebotenen Freizeit dabei gewesen und die Organisation vor Ort hatten ohnehin die Betreuer von der DPA inne. So fuhren wir also eher ins Ungewisse, einzig mit impliziten Zielsetzungen wie: Die Hörgeschädigten möglichst gut zu unterstützen, bei auftauchenden Problemen zu helfen, bei Konflikten zu vermitteln usw.

Vor Ort geschah es dann auch ähnlich: Gab es Probleme, wurden diese thematisiert; brauchte jemand Hilfe beim Zeltaufbau, beim Packen oder Postkartenschreiben, wurde diese meist gewährt; tauchten Konflikte auf, wurde versucht zu vermitteln. Ansonsten beantworteten wir endlos viele Fragen (oder leiteten diese an die technischen Leiter weiter), gaben Nähe, trösteten oder kümmerten uns z.B. darum, dass alle eingekremt waren, einen Hut und etwas zu trinken im Boot hatten. Eine Reflexion in der Gruppe, wie sie beispielsweise das Modell „Outward-Bound-Plus“ nach der Aktion anstrebt, oder sogar metaphorisch wie beim „metaphorischen Modell“, leisteten wir nicht. Mir fällt es auch im Nachhinein schwer, mir so eingeschobene Reflexionseinheiten vorzustellen. Allein, weil ich nicht genau wüsste, an welcher Stelle sie zu platzieren gewesen wären. Im Gegensatz zu beispielsweise der Schatzsucherfreizeit war die Fahrt nicht so deutlich in Aktionseinheiten gegliedert, als dass wir vor, während oder nach einer Aktion eine Reflexionseinheit hätten einführen können. An die „Aktion“ Kajakfahren schlossen meist unmittelbar die „Aktionen“ Auspacken, Aufbauen, Essen, Waschen usw. an. Vor Besteigen des Kajaks, war die Zeit gut mit Aufstehen, Frühstücken und Packen ausgefüllt. Die Kleingruppe – geschweige denn die Großgruppe – zu versammeln, gestaltete sich meist als schwierig. Muße für Gespräche boten ohnehin meist nur die Abende. Und diese wiederum waren für Gruppen­gespräche gänzlich ungeeignet, da die Dunkelheit Kommunikation mit Hilfe von Gebärden und Lippenlesen vereitelte. Gespräche konnten meist nur zu zweit mit Taschenlampe oder direkt am Lagerfeuer geführt werden. Ansagen für alle ließen sich am besten abends im Zelteingang eines Zeltes machen, in dem möglichst viele der Kinder zum Spielen oder Reden versammelt waren. Vielleicht wären diese Situationen, sieht man mal von gewissen Kommunikations­ein­schrän­kun­gen zwischen Betreuerinnen und Teilnehmern ab, auch die besten Gelegenheiten für Reflexionen gewesen. Dann haben wir sie verpasst! Für den Erlebnispädagogen bleiben solche Fragen immer offen, wenn sie etwas Bestimmtes wollen oder spüren, aber gleichzeitig den Eigenlauf des Erlebens nicht stören wollen.

Reflektiert wurde, wenn Probleme auftauchten. Und einige Probleme wurden wohl niemals besprochen, weil sie im „Alltags“-Gewühl untergingen. Einzig auf der Rückfahrt fand nach der Trennung von der Großgruppe noch eine Art informeller Nachbesprechung statt.

Insgesamt hätte man hier einiges besser machen können. Bezieht man jedoch die ungewöhn­lichen, teils schwierigen Umstände mit ein, ist die Fahrt vielleicht schon sehr gut gelungen: Wir hatten einen sehr engen Kontakt zu den Teilnehmern, wurden gleichzeitig als Bezugspersonen anerkannt und überwanden die meisten Hürden der Kommunikation (mit einiger Kraftan­strengung). Die Hörgeschädigten knüpften Kontakte zu „Hörenden“, Problemsituationen und Konflikte wurden überwunden, „schwierigere“ Teilnehmer fanden teils Erfüllung und Bestäti­gung im Kajakfahren oder Segeln, gegenseitiges Helfen war an der Tagesordnung und es wurden Freundschaften geschlossen. Nicht zu vergessen hatten insgesamt alle viel Spaß.

Auf einer weiteren Fahrt dieser Art würde ich versuchen, mehr Reflexionseinheiten, wie ich sie beispielsweise bei der Schatzsucherfreizeit erlebt habe, in den Tagesablauf einzuflechten. Allerdings sollte man aufpassen, dass die Reflexion nicht zu mechanisch geschieht und in die Situation passt.