Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

3. Theoretische und praktische Begründung

>> 3.1. theoretische Begründung
>> 3.2. prakttische Begründung


3.1. Theoretische Begründung

John Dewey hat in seinem pädagogischen Ansatz sehr viel Wert auf das Experimentieren in allen Lehr- und Lernsituationen gelegt. Er war der Auffassung, dass Lerner immer eine gewisse Lernerfahrung machen, die eine experimentelle Phase im weitesten Sinne einschließt. Für ihn baut sich Lernen folgendermaßen auf  (vgl. dazu weiterführend Hickman/Neubert/ Reich. John Dewey: zwischen Pragmatismus und Konstruktivismus. Münster (Waxmann 2004):

  1. Emotionale Antwort: Ein Lerner erfährt in einer Situation etwas Unerwartetes, das ihm zum Antrieb für eine Lösungssuche wird. Lernen und Lehren benötigen immer diesen Antrieb, der nicht bloß kognitiv bleiben sollte, weil erst eine emotionale Reaktion dafür sorgen wird, sich auf den Sinn des Lernens einzulassen. Wird es versäumt, die Lerner emotional einzubinden, dann scheitern die instruktiven Versuche der Lehrenden meist.
  2. Definition des Problems: Der Lerner versucht die Lernsituation zu stabilisieren, indem er bereits durch frühere Erfahrungen Erlerntes anwendet – die neue Situation kann dann, wie schon andere zuvor, erkundet werden. Oft setzt unmittelbar mit der emotionalen Reaktion dabei eine intellektuelle Reaktion ein.
  3. Hypothesenbildung: Nachdem die Situation als etwas definiert worden ist, das erkundet werden muss, wendet der Lerner eine vertraute Methode bisheriger Untersuchungen an und probiert diese aus oder bildet Hypothesen darüber, was zu tun wäre.
  4. Testen und Experimentieren: Lösungen werden im Lernen dann erfolgreich handlungsbezogen geleistet, wenn der Lerner seine Lösungen tatsächlich ausprobieren kann. Je weniger handlungsbezogene Möglichkeiten geboten werden, desto stärker sinkt nicht nur das Lerninteresse, sondern auch die Einsicht in den Sinn des Lerngegenstandes und die erbrachte Behaltensleistung („learning by doing“).
  5. Anwendung: Das Wissen von Welt, das durch die Erfahrungen mit den Lerngegen­ständen erworben wurde, bedarf anschließend der (kontinuierlichen) Anwendung, um zeigen zu können, was mit dem Lernergebnis erreicht werden kann. Je öfter und je umfassender solche Anwendungen tatsächlich genutzt werden können, desto sicherer wird die Anwendung und das Behalten im Lernen realisiert werden.

Das Experimentieren kann für Dewey in sehr unterschiedlichen Formen erfolgen. Versuch und Irrtum wären ein möglicher Zugang, gezielte Untersuchungen mit Absichten, die an Vorerfahrungen anderer Experimente methodisch anschließen, sind das Ziel einer sinnvollen Experimentierweise im Unterricht. Weitere Literaturhinweise finden sich im oben angegebenen Band.
Das Experiment im naturwissenschaftlichen Unterricht wird am klarsten bei Wagenschein herausgearbeitet. Obwohl Wagenschein bereits seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts für ein exemplarischen Lehren und Lernen stritt, blieb sein Ansatz auf wenige Reformschulen und reformpädagogisch orientierte Lehrer beschränkt. Auf Wagenschein wird in der Darstellung der experimentellen Methode in einem Beispiel noch eingegangen. Wagenschein war in vielerlei Hinsicht seiner Zeit voraus, denn er zeigte ähnlich wie Dewey auf, dass handlungsorientiertes Lernen dann besonders erfolgreich für den Lerner verläuft, wenn er kontextbezogen und situiert in einer angemessenen Lernumgebung lernt. Dies ist für die heutigen Lerntheorien mit konstruktivistischer Orientierung besonders wichtig geworden. Insoweit zählt die experimentelle Methode zum methodischen Grundbestand einer konstruktivistischen Didaktik. Hierfür sind die Arbeiten Deweys und Wagenscheins mit begründend.


3.2. Praktische Begründung

Das Experiment in der Wissenschaft ist aus verschiedenen Gründen eine wesentliche Forschungsmethode. Die Kernidee hierbei ist die aktive Manipulation der Versuchs­bedingungen durch den Experimentator, wodurch es möglich wird, als Beobachter eine gedachte und re/konstruierte Ursache von einer erfahrbaren Wirkung zu unterscheiden. Durch die so genannte Kausalanalyse kann ich die Versuchsbedingungen bewusst manipulieren, um den Einfluss einer oder mehrerer unabhängiger Variablen auf eine abhängige Variable festzustellen. Durch das Experiment kann zudem eine Weiteruntersuchung von bereits gewonnenen Ergebnissen durchgeführt werden. Habe ich z.B. durch eine Beobachtung die Erkenntnis gewonnen, dass sich Schnecken mit Hilfe von Bier anlocken lassen, kann ich die Variable „Bier“ verändern. Ich könnte also die Bestandteile des Bieres so benutzen, dass ich den Schnecken jedes einzelne Element (Hopfen, Malz, usw.) vorsetze, um dann zu erforschen, ob es ein Element gibt, von dem sie sich besonders angezogen fühlen. Oder andere alkoholische Getränke (Wein, Sekt, …) bzw. verschiedene Biersorten mit unterschiedlichem Alkoholgehalt benutzen.
Das Schulexperiment nimmt diesen Gedanken auf. Laut Lehrplan wird über einen bestimmten Zeitraum ein Thema behandelt, z.B. Wasser. Abhängig davon gilt es nun, eine gewisse Basis im Hinblick auf dieses Thema zu vermitteln. Nach einiger Zeit wäre dann ein Experiment durchzuführen, um bereits angesprochene Erkenntnisse zu verdeutlichen. Die Lernenden sind zu diesem Zeitpunkt keine „Anfänger“ auf diesem Gebiet, insofern wird jeder eigene Ideen, Vorstellungen und Meinungen haben. Durch das Experiment werden Fragen wie „Warum?“, „Wodurch?“ und „Wie?“ beantwortet. Allerdings sind solche Lehrplanvorgaben vorsichtig zu deuten. Denn sinnvoller können Experimente dort eingesetzt werden, wo die Lerner noch kein Vorwissen erworben haben, sondern zunächst durch Experimentieren eigenständig Bedingungen von Ressourcen und Lösungen erforschen. Nur so wird eine experimentelle Einstellung vermittelt, die einer konstruktivistischen Didaktik genügt. Es sollte möglichst immer vermieden werden, Experimente bloß als Illustration eines zuvor gehaltenen Unterrichts zu nutzen, der die „Wahrheit“ schon verkündet hat. Dies erzeugt bloß Langeweile und auf keinen Fall eine forschende Einstellung der Lerner.
Werden Experimente durchgeführt, so gilt es zu Beginn eine Vermutung aufzustellen, zu welchen Ergebnissen das Experiment kommen könnte (Hypothese). Dabei sollte beachtet werden, dass die Erstellung einer Hypothese möglichst von den Schülern erarbeitet und später dann überprüft wird. Es geht vor allem darum, den Schülern kein „vorgekautes“ Thema zu präsentieren. Vielmehr sollten sich die Schüler von Anfang an selbst und in aktivem Handeln mit der Materie auseinander setzen. Deshalb ist es auch besonders wichtig, dass die Schüler von Anfang an mit einbezogen werden und sich nicht „übergangen“ fühlen.
Die didaktische Qualität des Experiments zeigt sich in der besonderen Lernaktivität beim Experimentieren. So führen die oft sonderbaren, überraschenden oder beunruhigenden Ergebnisse zu höherer Motivation und fordern das logische Denken der Lerner heraus. Dies führt in der Regel zu einer hohen Auseinandersetzung mit dem Thema. Die Ergebnisse werden nicht auf Grund einer passiven Rezeption theoretischer Konstrukte angeeignet, sondern durch konkret-handgreifliche Lerngegenstände im handelnden Gebrauch. Dieses tatsächliche Auseinandersetzen (wie z.B. schneiden, bauen) wirkt als eine zusätzliche Lernaktivierung.
Das im Unterricht so wichtige problemorientierte Lernen wird durch die Durchführung eines Experiments stark provoziert. Der Lernende kann die Aufgabe nicht allein mit Hilfe eines bereits verfügbaren, rein theoretischem Mittel oder Schema angehen, sondern muss neue Problemlöseaktivitäten überlegen. Das können sein: praktische Versuche, Beschaffung neuer Informationen (z.B. durch Personenbefragung) usw.
Im Experimentieren werden oft tote Sachverhalte in lebendige Handlungen zurückverwandelt, wodurch der Lerner maßgeblich an diesem Prozess beteiligt ist und als Konsequenz einen Effekt und ein Ergebnis sieht.