6. Reflexion der
Methode
>> 6.1 Methodenkompetenz
>> 6.2 Methodenvielfalt
>> 6.3 Methodeninterdependenz
6.1 Methodenkompetenz
Die Methode des Experiments als eine Methode zu sehen, die dem oft kritisierten und überholt wirkenden Frontalunterricht entgegenwirkt, gestaltet sich als nicht besonders schwierig. Durch das mehrdimensionale Lernen und das Zusammenwirken von kognitiven, emotionalen und praxisorientierten Handlungen („Kopf-Herz-Hand“) ist die Aktivität, Selbstbestimmtheit und Produktivität der Lernenden in höchstem Maße gefordert.
Im Experimentieren wird besonders die Beobachtungsgabe geschult. Die Lernenden müssen in der Lage sein, sich auf bestimmte Vorgänge zu konzentrieren und wahrzunehmen, was genau in diesem Bereich vor sich geht. Die Beobachtung gilt als Vorstufe des Protokollierens und als Grundlage eines Experiments.
Sieht man die Lernvorgänge während des Experimentierens und die Methode als solche, bemerkt man die gegenseitige Beeinflussung, die zwischen beiden besteht:
Die Methode beeinflusst den Lernvorgang innerhalb der schrittweisen Annäherung ans Endergebnis. Der Lerner sieht sich mit anderen Vorgängen und Handlungen konfrontiert, als er es z.B. im Frontalunterricht wäre. Er muss selbstständiger handeln und die (weitreichenderen) Konsequenzen diesbezüglich tragen. Das Textverständnis, die Formulierung einer Hypothese, die Durchführung des Experiments und schließlich die gewonnene Erkenntnis stehen im klaren Gegensatz zu einer vom Lehrenden formulierten Frage, die der Lernende von seinem Stuhl aus beantwortet.
Doch trotzdem setzt sich das Experiment in der Schule nur langsam durch. In den Naturwissenschaften findet man diese Art der Lehrstoff-Vermittlung noch am ehesten. Hier können berühmte Experimente nachgestellt werden, die benötigten Materialien finden sich in den Lehrstoffsammlungen. Die Schüler erleben, was z.B. passiert, wenn man Flüssigkeit A mit Flüssigkeit B mischt, ohne dieses auf rein theoretischem Weg zu (er-)lesen.
Leider wird es in vielen schulischen Bereichen nicht als notwendige Unterrichtsmethode betrachtet. Unter Rahmenbedingungen, die bestimmt sind von Geld-, Lehrer und Zeitmangel, kann sich eine solche Methode nicht unbedingt durchsetzen. Es ist unbestreitbar, dass die Durchführung eines Experiments aufwendiger ist, als wenn ein Lehrer den Schülern rein theoretisch darüber referiert. Um die volle Effektivität des Experiments zu erreichen, genügt es auch nicht, den Schülern einen Tatbestand zu erläutern und ihnen die Vorgaben für das Experiment zu geben. Von großer Bedeutung ist die Mitarbeit der Lerner an der Hypothesenerstellung. Die benötigten Materialien dann aufzutreiben, um mit Hilfe von „Versuch und Irrtum“ zu einem Ergebnis zu gelangen, nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, die für andere Lerngegenstände verloren geht.
Was nützt es aus gesellschaftlicher Perspektive also, könnte man sich fragen, wenn die Lerner zwar auf einem Gebiet „Meister“ sind – von der Herleitung des Problems bis zur Abschluss-Formulierung, aber auf den anderen Gebieten regelrecht „versagen“, da die zeitlichen Bedingungen verhindern, dass sie durchgenommen wurden?!
Um also das Experiment in dem Maße und Rahmen anwenden zu können, dass es sowohl der Schule (mit den leider vorherrschenden Mängeln), der Gesellschaft (mit ihren Anforderungen – die nach Pisa noch höher geworden sind), den Lehrenden (mit den vorgegebenen Curricula) und natürlich den Lernenden entspricht, sind reifliche Vorüberlegungen nötig.
Wo lohnt sich der Aufwand eines Experimentes bzw. welche Sachverhalte könnte man auch durch andere Unterrichtsformen hinreichend klären? Wie viel kann der Lehrer vorgeben, um Zeit zu sparen, aber die Schüler doch genügend mit einzubeziehen? – dies sind nur einige mögliche und wichtige Fragen.
Ein erster Versuch, diesen Anforderungen zu entsprechen, wäre fächer-übergreifender Unterricht. Zum Beispiel könnte das Thema „Wasser“ im Deutschunterricht durch themenspezifische Texte behandelt werden, in denen die Metapher „Wasser“ eine wichtige Rolle spielt. In Biologie bestünde die Möglichkeit, einen Versuch zur Reinigung von verschmutztem Wasser durchzuführen, bei dem die Lernenden direkt mit dem Element arbeiten. Die Physik könnte Dichtebestimmungen vornehmen, usw.
Zugleich wird ein Schulsystem, das noch überwiegend auf reproduktive Kenntnis- und Wissensvermittlung ausgelegt ist, aber auch umdenken müssen, wie die schwachen Pisa-Ergebnisse in Deutschland zeigen. Weniger ist dann mehr, wenn in den Methoden zugleich eine Methodenkompetenz ausgebildet werden kann, die eine eigenständige spätere Informations- und Wissensbeschaffung einschließt. Dazu aber sind Experimente besonders geeignet. Ihr Anteil im Lernen sollte daher deutlich erhöht werden.
6.2 Methodenvielfalt
Das Experiment bietet in seiner Form als Schulexperiment oder Experiment in Weiterbildungen eine hohe Variations- und Durchführungsvielfalt. Der Gewinn einer bestimmten Erkenntnis lässt sich mit Hilfe dieser Methode auf viele Weisen ermöglichen. Die Lernenden können Experimente im Hinblick auf „Was passiert, wenn…“ / „Passiert X wenn Y“, usw. durchführen. Es ist eine Methode, die durch die Vielfalt der Möglichkeiten ihres Ablaufes ein besonderes Maß an Verknüpfungen bestimmter Methoden und Techniken des Lernens ermöglicht. Es gilt so nicht nur einen Text zu lesen, sondern es müssen bestimmte Items herausgestellt werden, die es den Lernenden ermöglichen, hiermit weiterzuarbeiten (z.B. um eine Hypothese aufstellen zu können). Die Materialienbeschaffung erfordert ein gewisses Maß an Organisationstalent; später, bei der eigentlichen Durchführung werden Motorik, Ausdauer und sauberes Arbeiten genauso geschult, wie die Fähigkeit stets das richtige „Maß aller Dinge“ zu verwenden (Zeit, Mengen, usw.).
Des Weiteren bietet die Methode des Experiments eine große Erfahrungsnähe dadurch, dass vor allem sinnliche Erfahrungen im Vordergrund stehen. Es geht nicht nur darum, ein Endergebnis im Sinne von „richtig“ und „falsch“ zu ermitteln, sondern vielmehr ist es der Prozess der Erfahrung selbst, der den gewünschten Lerneffekt beschreibt. Denn auch durch ein „falsches“ Ergebnis kann der Lernende wichtige Aussagen über das Erlernte machen.
Das Experiment ist in seiner Vielfalt eine sehr teamorientierte Methode. Durch die Verbindung verschiedener Methoden und Techniken im Experiment erweist es sich gerade für heterogene Gruppen als gut geeignet. Aufgrund der Variation von Tempo, Aufgabe, usw. können die einzelnen Gruppenmitglieder nach ihren Möglichkeiten arbeiten und sich aufeinander einstellen. Langsamere könnten Aufgaben übernehmen, die einfacher und nicht so zeitintensiv sind, während andere sich eher mit den kniffligen Problemen beschäftigen. Um dann zu einem richtigen Ergebnis zu gelangen, müssen die unterschiedlich bearbeiteten Aufgaben zusammengefügt werden. Jeder muss sich auf jeden verlassen – Teamarbeit ist gefragt.
Einen weiteren Pluspunkt verbucht das Experiment gegen den Schematismus. Oftmals haben Lernende eine eingeschränkte Sicht auf Lerninhalte, wodurch auch keine neuen eigenen Ideen zur Problembearbeitung eines Lerngegenstandes mehr zustande kommen. Jeder hat sich sein Lernschema, das er in fast jedem Bereich auch anwenden kann, aufgebaut und gefestigt. Die Möglichkeit des Experiments, auf unterschiedlichen Lernwegen zum Ergebnis zu kommen, wirkt diesem Phänomen entgegen und macht die Lernenden sensibler für künftige Lernsituationen.
6.3 Methodeninterdependenz
Gemeint ist hiermit die Frage, mit welchen Methoden sich das Experiment besonders gut kombinieren lässt. Besondere Erwähnung soll hier die Erkundung finden, eine Methode, deren Gelingen in besonderem Maße auf der Neugier der Lernenden aufbaut. Im Rahmen einer Erkundung ergeben sich neue Fragestellungen zu einem Themengebiet, die anhand der Durchführung eines Experiments gelöst werden können. Die Erkundung stellt zudem eine Möglichkeit dar, Material für ein Experiment zu sichten.
Das Experiment kann beispielsweise auch als Bestandteil einer Projektarbeit eingesetzt werden, sofern dies der zu bearbeitende Thematik entspricht.
Zudem sind andere, „kleinere“ Lernmethoden und Techniken mit dem Experiment leicht verknüpfbar. Ein Beispiel hierfür wäre das Protokollieren, das während des Experimentierens eine große Rolle spielt. Nur so können Erkenntnisse definiert und ggf. nachgeprüft werden. Das Protokollieren als Ergänzung zum Experiment zu sehen, ist insofern ein wichtiger Punkt.
Zur Präsentation der Ergebnisse eines Experiments eignen sich Visualisierungstechniken/-methoden, etwa die Metaplan-Methode, diese können auch in der Planungsphase hilfreich sein, etwa bei der Fragestellung oder Versuchsplanung. |