3. Theoretische und praktische Begründung

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3.1. Theoretische Begründung

Zweck der Feedback-Technik ist es zum einen die Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen und zum anderen die Teamentwicklung zu fördern. Durch Schulung der Selbstwahrnehmung lernen die Teilnehmer ihr eigenes Verhalten besser zu steuern. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung von Offenheit, Ehrlichkeit und Vertrauen in zwischenmenschlichen Beziehungen, als Voraussetzung für gesunde Beziehungen und fruchtbare Zusammenarbeit. Durch offene Kommunikation werden die Beziehungen zueinander transparenter und ehrlicher. Störfaktoren werden leichter aufgedeckt und eventuell gemeinsam beseitigt. Differenzen können sofort geklärt werden, bevor sie zu Aggressionen oder Abwehrmaßnahmen führen. Ebenso werden dadurch der Aufbau von Misstrauen und die Verfestigung von falsch interpretierten Wahrnehmungen verhindert. Feedback dient somit der sozialen Unterstützung, Beziehungsklärung und Psychohygiene im Alltag. Deshalb sollten Feedback-Sitzungen von allen möglichen Gruppenformen, vom Arbeitsteam über den Freizeitverein bis hin zur Wohngemeinschaft zu einer festen Einrichtung bei ihren Zusammenkünften gemacht werden (vgl. R. E. Kirsten & J. Müller-Schwarz).
Von Vorteil ist auch, dass es sich um ein relativ leicht handhabbares, vielseitig einsetzbares Instrument handelt, dass das menschliche Zusammenleben sehr erleichtert.
In der konstruktivistischen Didaktik ist ein kontinuierliches Feedback im Lehr- und Lernprozess unerlässlich. Die konsequente Anwendung des Feedbacks neben anderen beziehungsbezogenen und inhaltsreflektierenden Methoden hilft, ein angemessenes Kommunikations- und Arbeitsklima aufzubauen.

Die Wirkungsweise der Feedback-Technik wird anhand des Johari-Windows (Autoren: Joe Luft und Harry Ingham) sehr plastisch erläutert (vgl. K. Antons). Es handelt sich um ein graphisches Modell, dass die Veränderungen von Selbst- und Fremdwahrnehmungen im Verlauf eines Gruppenprozesses darstellt. Dieses ist in vier Felder, die jeweils einen bestimmten Verhaltensbereich einer Person darstellen, unterteilt:

 

 

                                     

mir selbst

 

bekannt

unbekannt

 

anderen

bekannt

A
Öffentliche
Person

C
Blinder Fleck

unbekannt

B
Privatperson

D
Unbewusstes

So stellt Quadrant A die „öffentliche Person“ bzw. den Bereich der freien Aktivität, der öffentlichen Sachverhalte und Tatsachen dar. Hier sind Verhaltensweisen und Motivationen sowohl mir selbst bekannt als auch für andere wahrnehmbar. Quadrant B verkörpert den Bereich der Privatperson, also den Verhaltensbereich, der mir als Person selbst bekannt und bewusst ist, den ich anderen aber nicht zugänglich mache und der ihnen deshalb verborgen bleibt. Solche privaten Aspekte einer Person werden vor allem durch Selbstmitteilungen sichtbar. Quadrant C ist der „Blinde Fleck“ der Selbstwahrnehmung. Der Verhaltensteil, der für andere sichtbar, mir selbst jedoch nicht bekannt ist. Hierzu gehören Abgewehrtes, Vorbewusstes und nicht mehr bewusste Gewohnheiten. Gerade in diesem Bereich, in dem die Selbsteinsicht fehlt, ist Feedback eine gute Hilfe. D, das vierte Rechteck, umschließt Vorgänge, die weder mir noch anderen bekannt sind, zu denen also der direkte Zugang fehlt. Dieser Bereich wird in der Tiefenpsychologie als unbewusst bezeichnet und in der Regel nicht in Trainingsgruppen bearbeitet. Jedoch können Selbstbeschäftigung und Hypothesenbildungen in einer offenen Begegnung auch hier vieles in Bewegung setzen.
Im Verlaufe eines Gruppentrainings kann man beobachten, wie sich die Größe der einzelnen Quadrate verändert: Stellt man den Trainingsbeginn mit einer neuen Gruppenkonstellation anhand des Johari-Windows dar, so dominieren die Bereiche B und C, Bereich A hingegen ist noch äußerst klein.

A

C

B

D

Ziel eines Gruppentrainings ist es nun, die zu Anfang dominierenden Bereiche B und C zu verringern und somit das Quadrat A zu vergrößern. Hierbei werden die Grenzen dessen verschoben, was der Bearbeitung offen steht. Die freie Aktivität des Einzelnen wird erweitert und blinde Flecke werden aufgehellt.

         A

    C

 B

  D

In der Praxis vergrößert man den Freiraum A zum einen, indem die Gruppenmitglieder Informationen über sich und bisher Privates (Bereich A) freigeben und austauschen, zum anderen aber auch durch das Empfangen und Geben von Feedback, wodurch der Bereich C verkleinert wird.


3.2. Praktische Begründung

Im Gegensatz zu Kindern haben Erwachsene oft verlernt, offen ihr Denken und Fühlen zu artikulieren. Gründe sind Angst vor Verletzungen oder Sanktionen. Doch genau diese Offenheit ist für die Effektivität einer gelingenden und die Vermeidung einer gestörten Kommunikation in Beziehungen von großer Bedeutung.
Wir neigen oft dazu, das, was wir an einer Person wahrnehmen, zu interpretieren und die Person daraufhin zu bewerten bzw. in eine Schublade zu stecken. Dabei unterstellen wir ihrem Verhalten bestimmte Motive und ordnen diese dann bestimmten zu Grunde liegenden Charaktereigenschaften zu. Da es sich dabei meist um reine Unterstellungen handelt, folgt daraus ein gewisser Teufelskreis:
Der Mitmensch wird abgestempelt und in eine bestimmte Schublade gesteckt. Daraufhin nimmt man nur noch das wahr, was die Vorurteile bestätigt. Außerdem geht man davon aus, dass man die Person verletzt, wenn man ihr offen sagen würde, was man über sie denkt.
Solange ein offenes Feedback unterbleibt, weiß die Person nicht, wie man ihr Verhalten wahrnimmt und empfindet. Sie bekommt so keine Chance, es zu überdenken und gegebenenfalls zu ändern. Und eben weil keine Verhaltensänderungen stattfinden, sieht man das eigene Bild von der Person immer wieder bestätigt.
Dieser Teufelskreis kann durch Feedback verhindert werden: Indem man das Verhalten von Menschen in gemeinsamen Kommunikationssituationen beschreibt, aber nicht bewertet, ist es dem Feedback-Nehmer möglich, Kritik anzunehmen und daraufhin gegebenenfalls auch bestimmte Verhaltensweisen zu ändern.
Der Feedback-Geber lernt dabei, die vorgefertigten Bilder, die er von seinen Mitmenschen abgespeichert hat, in Frage zu stellen und darüber hinaus auch allgemein vorsichtiger mit Urteilen umzugehen und anderen eine Chance zu geben.

Feedback ist vor allem eine offene Rückmeldung, die als wertvolle Informationsquelle angesehen werden sollte. Wichtig ist, sich bewusst zu sein, dass es bei den Rückmeldungen nicht um den Kern der Persönlichkeit geht, sondern nur um das äußere Erscheinungsbild und die Wirkung von Verhaltensweisen. Wenn ich nun mit Hilfe offener Rückmeldungen erfahre, wie ich auf andere wirke, kann ich die Reaktionen der anderen mir selbst gegenüber viel besser verstehen und außerdem mein eigenes Verhalten gezielter steuern. Feedback verhilft so oft zu einem überraschenden und klärenden Perspektivenwechsel.
Als Feedback-Empfänger lernt man weiterhin, subjektive Wahrnehmungen in ihrer Bedeutung fürs Ganze richtig einzuschätzen. So zum Beispiel, dass es normal ist, wenn ich nicht jedem in der Gruppe gefalle. Ich kann meine von der Gruppe als hilfreich erfahrenen Eigenschaften ausbauen und eventuell die Verhaltensweisen, die von anderen als störend empfunden werden, verändern. Daneben lernt der Feedback-Nehmer die Nützlichkeit von offenen Rückmeldungen zu schätzen und erfährt, dass diese eine positive Wirkung auf die eigene Sicherheit haben. Wichtig ist auch die Erfahrung, dass Offenheit in Form von Kritik oder sogar Ablehnung nicht zur Störung oder gar Auflösung von Beziehungen führen muss, sondern durchaus auch Anstoß zu positiver Veränderung sein kann. Fazit der neuen Erfahrung sollte sein, dass offene Auseinandersetzungen weitaus produktiver sind und eher zu Lösungen führen als Heimlichkeiten.
Als Feedback-Geber lernt man, dass die Wahrnehmungen der anderen sich von den eigenen unterscheiden können. Folglich wird die soziale Wahrnehmungsfähigkeit aller Beteiligten systematisch geschult.

Jörg Fengler gibt in seinem Buch „Feedback geben: Strategien und Übungen“ für einen  komprimierten Überblick folgende Liste der dreizehn hilfreichen Funktionen des Feedbacks:
1.) Feedback hilft bei der Selbsteinschätzung.
2.) Feedback steuert Verhalten.
3.) Positives Feedback ermutigt.
4.) Feedback hilft bei der Fehlersuche.
5.) Feedback fördert persönliche Lernprozesse.
6.) Feedback hebt die Motivation.
7.) Feedback hilft, zielgerichtet zu arbeiten.
8.) Feedback ermöglicht die Fähigkeit, sich hilfreiches Feedback verschaffen zu können.
9.) Feedback führt zu einem Zuwachs an Einfluss beim Empfänger und beim Geber von
      Feedback.
10.) Feedback bewirkt eine engere Verbindung mit der Aufgabe.
11.) In Verhandlungen hilft es bei der Einschätzung von Angeboten.
12.) Feedback hilft bei der Identifikation mit der Arbeitsumgebung und bei der Planung von
        beruflicher Entwicklung.
13.) Feedback hilft, die Qualität von Entscheidungen zutreffend zu bewerten und zu
        beurteilen.

Eine schöne Metapher zum Verständnis der Feedback-Technik liefern die Autoren Rainer E. Kirsten und Joachim Müller-Schwarz in ihrem Übungsbuch „Gruppentraining“: Der Kapitän eines Schiffes orientiert sich an den Sternen und Leuchttürmen, um den Kurs seines Schiffes zu halten. Abweichungen werden sofort vom Navigations-Offizier an die Brücke gemeldet, woraufhin der Steuermann die Anweisung zur Korrektur des Kurses erhält. Der Grad der Zielerreichung wird ständig an die Handelnden zurückgemeldet. Führt die Handlung nicht zum Ziel, so folgt eine Information über die Abweichung, die dann wiederum eine Reaktion des Handelnden nach sich zieht. Nach dem selben Schema bzw. Regelkreis sollte tendenziell auch unsere Kommunikation bzw. unser zwischenmenschlicher Umgang im Alltag verlaufen. Denn auch hier ist es wichtig, dass wir wissen, wo wir stehen und ob wir auf dem richtigen Weg sind, um unser Ziel zu erreichen oder eventuell völlig – aus der Sicht von anderen – vom Kurs abweichen. Genau das erreichen wir nur durch Rückmeldungen unserer Mitmenschen. Wird in der Pädagogik kein umfassendes und kontinuierliches Feedback gegeben, entsteht leicht eine Gleichgültigkeits-pädagogik, die von einer konstruktivistischen Haltung abgelehnt wird.