7. Praxiserfahrungen


7.1 Erfahrungen einer Supervisorin aus der Erwachsenenbildung (nach einem Interview mit
Gabriele Stolze-Enderer)

Die Methode des Feedback wird in der Praxis vielfältig angewandt und hat sich sowohl in der beruflichen Fort- und Weiterbildung als auch in unterschiedlichen Arbeitsrealitäten etabliert. In der Schulpraxis wird das Feedback noch zu selten eingesetzt. Dies sollte sich grundsätzlich ändern, um Lehr- und Lernprozesse erfolgreicher und beziehungsorientierter zu organisieren.
Die Einführung in diese Methode im Rahmen der Erwachsenenbildung gehört seit vielen Jahren zu einem wichtigen Standardprogramm zur Förderung der Teamentwicklung, der offenen Kommunikation und damit zur Verbesserung der Kooperationsfähigkeit aller Beteiligten. Die Erfolge, die sich hier zeigen, müssten noch verstärkt auf die Schule übertragen werden.
Immer dann, wenn Menschen in Teams eng und ergänzend zusammenarbeiten müssen oder in der Projektarbeit ein hohes Maß an Transparenz des Informationsflusses, nicht nur auf der fachlichen, sondern insbesondere auf der Beziehungsseite erforderlich ist, bewährt sich die Methode des Feedback im beruflichen Alltag. Sie ist ein Baustein zur Sicherung guter Arbeitsergebnisse, indem sie ein gutes Beziehungsfundament herstellt.
Als hilfreich hat sich das Feedback aber nicht nur in der Team- und Projektarbeit erwiesen, sondern auch in regelmäßig stattfindenden Besprechungen/Meetings von Arbeitsgruppen, in Workshops –wo sich alle Zusammenarbeitenden Zeit nehmen können, die Art der Zusammenarbeit und das Arbeitsklima auf „neutralem“ Boden zu reflektieren – und im Einzelgespräch unter Kollegen oder im Mitarbeitergespräch. Die Führungskraft übt sich in Mitarbeitergesprächen dann darin, offen Positives und Kritisches oder Fehlendes zu benennen. Voraussetzung für das gute Gelingen eines Feedbacks in Vier-Augen-Gesprächen ist allerdings die dialogische Haltung des Vorgesetzten. Nicht nur er gibt Feedback, sondern er erbittet es sich auch von den Mitarbeitern.

Probleme, die bei der Einführung von Feedback im Bildungsbereich auftauchen können:
Wie schon in unter Punkt 3 erwähnt, tun sich Erwachsene schwer, wenn es um das Aussprechen einer Anerkennung, die Beschreibung einer Beziehungskonstellation oder die angemessene Formulierung einer Kritik geht. Oft gibt es in Seminaren zunächst viel Abwehr, wenn das Feedback eingeführt wird. Es hat sich als hilfreich erwiesen, ein Flipchart vorzubereiten, auf denen einmal Formulierungshilfen für das Feedback und zum anderen eine Vielfalt von unterschiedlichen Eigenschaften stehen, um den Teilnehmern den Einstieg in die neue Form der Kommunikation zu erleichtern.
Die Abwehr der Teilnehmer kann aber auch andere Gründe haben. Es kann Angst machen oder Befürchtungen wecken, wenn man hört, dass andere Rückmeldung darüber geben werden, wie man wirkt. Schnell werden die Teilnehmer zurückgeworfen in ihre eigene oft extrem selbstkritische Auseinandersetzung mit der persönlichen Unvollkommenheit und scheinbaren Fehlerhaftigkeit. Manchmal ist es hilfreich, den Teilnehmern über die oben genannten „Eigenschaftsflips“ deutlich zu machen, dass Vollkommenheit ein unerreichbares Ideal ist. Jede gute Kompetenz hat auch ihre Schattenseiten und umgekehrt hat jede vermeintliche „Schwäche“ ebenso einen positiven Aspekt. Egal, wie wir uns in beruflichen und anderen Zusammenhängen verhalten, es gibt immer Reibung.

Probleme, die sich bei der Implementierung der Methode in die Arbeitsrealitäten stellen können:
Leider wird das Feedback oft nicht sauber genug angewendet und kann dann zu großen Verletzungen der einzelnen Persönlichkeiten führen. Die Methode läßt sich leicht missbrauchen. So kann beispielsweise ein Vorgesetzter in einem Feedback-Gespräch zunächst alibimäßig etwas Positives über den Mitarbeiter sagen, um anschließend alles, was ihn schon lange an seinem Mitarbeiter gestört hat, ärgerlich und mit erhobenem Zeigefinger auf den Tisch zu bringen – frei nach dem Motto „Was ich dir schon immer mal sagen wollte.“ Hier wäre ein Konfliktgespräch angemessener und ehrlicher gewesen. Viele Mitarbeiter haben eine solche Situation schon einmal erlebt und erzählen in Seminaren darüber, dass sie ganz skeptisch und wachsam werden, wenn man sie lobt, weil sie in solchen Fällen automatisch mit einer anknüpfenden Standpauke rechnen.
Es bedarf einer guten Einführung seitens der Trainer, wenn sich die Methode im beruflichen Alltag bewähren soll. Das Einüben der Feedback-Methode im Seminar stellt noch keine Garantie für eine gute Übertragung und Weiterentwicklung der neu erworbenen Fähigkeiten in die Arbeitsrealität dar. Besser ist es, wenn die Seminarleiter/Berater die Möglichkeiten haben, den auf das Seminar folgenden Prozess im Arbeitsfeld der Teilnehmer zu begleiten. Auf diese Weise wäre sichergestellt, dass Teams während des Feedbacks nicht schnell wieder dazu übergehen über Sachthemen bzw. fachinhaltliche Fragen zu diskutieren, anstatt Rückmeldungen über die Zusammenarbeit auszutauschen. Anfänglich neigen sie dazu, weil es viel leichter fällt in gewohnter Weise über Arbeit zu sprechen, als über die Art und Weise der Kooperation.

Fazit: Die Einführung in die Methode des Feedbacks ist prozesshaft zu betrachten. Sie braucht Zeit, Übung und professionelle Unterstützung, wenn sie in ihren ganzen Möglichkeiten ausgeschöpft werden soll. Die Methode trägt wesentlich zur Verbesserung des Beziehungsgefüges bei. Sie erfordert dann aber von allen Beteiligten eine Haltungsänderung hin zu einem respektvollen, wertschätzenden und empathischen Miteinander und braucht auch vorab Vertrauensaufbau und Vertraulichkeit, so dass sich alle sicher und geschützt fühlen können. Sie ist notwendig, wenn Menschen eng und ergänzend zusammenarbeiten und stellt darüber hinaus eine gute Konfliktprophylaxe dar, weil sie mit gewährleistet, dass Arbeitsprojekte nicht wegen sich langsam aufbauender und schließlich unüberwindlicher Beziehungsschwierigkeiten scheitern.

 

7.2 Erfahrungen einer Grundschullehrerin (nach einem Interview mit  Judith Möcklinghoff)

Da Kinder noch nicht verlernt haben, ihre Meinung offen und ehrlich einander mit zu teilen, erscheint manchen Lehrenden Feedback in der Grundschule als unnötig. Oft jedoch sind die Reaktionen von Kindern, insbesondere wenn sie verärgert sind, zwar offen und ehrlich, aber sehr undifferenziert und verletzend, so dass ihre „wahre“ Botschaft nicht beim Empfänger ankommt. Daher führe ich auch in der Grundschule als Feedback-Ritual den „Gefühlskreis“ (Beschreibung des Ablaufs siehe 5.4 Gefühlskreis) durch.
Ich habe mit diesem Ritual, einmal wöchentlich abgehalten, sehr gute Erfahrungen gemacht:
Häufig kamen Rückmeldungen zur Sprache, die das jeweils „empfangende“ Kind sehr überraschten. Wie oben erwähnt, ist Kindern teilweise nicht bewusst, welches Verhalten andere Kinder stört und ärgert. Durch die genaue Rückmeldung wird ihnen dies nun bewusst gemacht, wodurch sie die Chance zur Änderung ihres Verhaltens erhalten. Außerdem wird durch die Rückmeldung und direkte Ansprache der positiven Verhaltensweisen die Verstärkung dieser gefördert.
Die Regel, dass keine Verallgemeinerungen sondern nur ganz konkrete Verhaltensweisen angesprochen werden dürfen, fördert auch die Selbstwahrnehmung der Kinder: sie müssen sich jeweils bewusst machen: was genau hat mich denn geärgert/gefreut? Ebenso trägt auch die Entschuldigungskarte dazu bei.
Die Kinder nehmen dieses Ritual erfahrungsgemäß sehr ernst, teilen ihre Rückmeldungen gerecht aus, sie missbrauchen auch nicht die Möglichkeit, es damit anderen „heim zu zahlen“ und bestehen auf der regelmäßigen Durchführung des Gefühlskreises.
Probleme kann es am Anfang insbesondere mit sehr aggressiven Kindern geben, die dauernd in Streitereien und Kämpfe verwickelt sind. Diese erhalten, ihrem Verhalten entsprechend, sehr viele rote Karten. Wichtig ist, deutlich zu machen, dass dies nur mit ihrem Verhalten zu tun hat und es in ihrer Hand liegt, das zu ändern. Gerade für solche Kinder ist es aber wichtig, zu erfahren, welches Verhalten von den anderen Kindern gewünscht wird und welches abgelehnt wird.
Ein weiterer Vorteil ist, dass die Rückmeldungen in diesem Rahmen nicht durch die Lehrerin, sondern durch die anderen Schüler erfolgen, was eine viel größere Wirkung hat.

 

7.3. Partizipativer Grundansatz im Lehren und Lernen

Wenn man im Lehren und Lernen nicht nur als Experte alles den Lernern vorgeben will, sondern erkennt, dass es zu den Schlüsselqualifikationen des Lernens auf allen Stufen gehört, neben der Fach- auch eine Methoden- und Sozialkompetenz auszubilden, dann muss das Feedback regelmäßig in allen Gruppen umfassend praktiziert werden. Dies funktioniert aber nur hinreichend, wenn auch die Lehrenden sich als Feedback-Nehmer verstehen und nicht sogleich die oft schlechten Bedingungen des Lehrens und Lernens in der Gegenwart namhaft machen, um sich vor dem Feedback zu schützen: Nach dem Motto: „Wenn ich mir schon ein Feedback abhole, dann doch bitte erst, wenn die Bedingungen besser werden.“ Eine solche Einstellung in der Praxis schadet dem Feedback.
Feedback beginnt immer schon im Kleinen. Eine Lehrerin bemerkt eine Störung, zweifelnde Gesichter z.B., und sie holt sich ein direktes und schnelles Feedback. Sie erzeugt eine dialogische Situation und schafft damit eine kommunikative Atmosphäre, die auch ein später größeres Feedback leichter zum Erfolg bringen wird. Denn beim Feedback ist das Vorbild ein wesentlicher Mechanismus, um die Offenheit des Prozesses und die Unwägbarkeit der Rückmeldungen auszuhalten und sogar spannend zu finden.
Der größte Feind des Feedbacks in der Praxis scheint die Gleichgültigkeit am anderen zu sein. Solche Gleichgültigkeit hat in der Postmoderne eine gewisse Konjunktur, sie wird durch ein Schulsystem gefördert, das sozial Schwächere ausgrenzt und Lebenschancen heute wieder sehr stark nach Schicht- und Ausländerzugehörigkeiten verteilt. Hier denken Lehrende vielleicht mitunter zu schnell, dass sie hierfür nicht verantwortlich gemacht werden können, und übersehen, wo ihre Verantwortung liegt: in ihren Gruppen Feedback so zu organisieren, dass eine Verbesserung im Kleinen erreicht wird, bevor die Veränderungen im Großen – die auch notwendig sind – angegangen werden.