3.
Theoretische und praktische Begründung
Die
Methode hat wegen ihrer einfachen Anwendbarkeit eine deutliche
Verbreitung erfahren. Aus ihrer einfachen Anwendbarkeit resultiert,
dass sie auch bereits Erstklässlern zugänglich ist.
Bei Korrespondenzen geht man von folgendem Grundsatz aus: Jeder
Mensch hat das Bedürfnis, sich mitzuteilen und ist neugierig,
sich mit anderen zu beschäftigen. Dieses Interesse besteht
unabhängig vom Alter, sofern die Neugierde nicht blockiert,
sondern bestätigt oder, wie im Falle eines Lehrens und Lernens
mit der Methode der Korrespondenz, gefördert wird.
Die Korrespondenz beruht auf der Grundlage der Gedanken Celestin
Freinets. Er hat sich für seine Schüler eine moderne
Unterrichtsgestaltung gewünscht und sich darum intensiv mit
neuen Unterrichtsmethoden auseinander gesetzt. Für Freinet
war es wichtig, den Kindern die Wichtigkeit von Schrift und ihrer
Verwendung praktisch deutlich zu machen. Es macht nur Sinn, mit
Schrift zu arbeiten, wenn das Kind selbst den Wert der Schrift
als Mittel des Ausdrucks und der Übersetzung eigener Gedanken
erkennt.
„Die Schrift hat nur Sinn, wenn man gezwungen ist, auf sie
zurückzugreifen, um seine Gedanken über die Reichweite
der Stimme und die Grenzen unserer Schule hinaus jemandem mitzuteilen.“
(Vgl. Freinet 1957, S. 39 f.)
Für Freinet war es wichtig, dass er bei seinen Schülern
eine Motivation zur Anwendung der Schriftsprache erreichte. Eine
solche Motivation erwächst auch durch die „Möglichkeit
des freien Sich-Ausdrücken-Dürfens, die Vervielfältigung
oder Druckerei, die Illustrierung, die Schaffung einer Schülerzeitung,
die den Eltern zugestellt und außerdem gegen Schülerzeitungen
anderer Korrespondenzschulen ausgetauscht wird.“ (Ebd.,
S. 40)
Die Korrespondenz soll nicht nur durch den gegenseitigen Tausch
von im Unterricht erarbeitenden Materialien bestimmt sein, sondern
auch zu einem freundschaftlichen Austausch anderer Dinge führen.
„Wir kennen nicht nur den besonderen Lebensstil dieser Schule,
sondern auch die Namen, Eigenschaften, Lieblingsspiele, Freuden
und Sorgen ihrer Schüler. Handgeschriebene Mitteilungen werden
bald mit den gedruckten den Gedankenaustausch intensivieren. Die
Zusendung von Photos, Spielsachen und kleinen Geschenken gibt
dann dem Bedürfnis der Kinder, in einen Gedankenaustausch
mit fremden Kindern zu treten, was wir für unsere Absicht
als notwendige Voraussetzung des Schreibens ansehen, ein Maximum
an Intensität.“ (Ebd.)
Freinet erscheint es außerdem als bedeutsam, dass man mit
der Korrespondenz schon beginnen kann, bevor die Kinder in der
Lage sind, lange Briefe fehlerfrei zu schreiben. Es kommt bei
der Korrespondenz als Art des Schreibenlernens darauf an, dass
das Kind den Sinn, Wert und die Notwendigkeit des durch die Schrift
Ausgedrückten in seiner Bedeutung für sich selbst und
für die Allgemeinheit empfindet. Es geht zu Beginn hier nicht
um richtige Rechtschreibung und Zeichensetzung, sondern primär
um die Inhalte des Austausches. Der Inhalt kann auch durch Bilder,
die mit Wörtern ergänzt werden, zum Ausdruck gebracht
werden. Mit zunehmendem Alter der Kinder werden die Texte komplexer.
Die Schüler schicken ihre gedruckten Texte in regelmäßigen
Abständen an die Korrespondenzklasse. Dies geschieht nach
Freinet entweder wöchentlich oder alle 14 Tage. Allerdings
können die zeitlichen Abstände ganz nach den Bedürfnissen
und Forderungen der Lernergruppe wechseln. Aus der Sicht der konstruktivistischen
Didaktik ist es jedoch wichtig, dass die Lerner bei der zeitlichen
Planung umfassend einbezogen werden und sich mit ihren Wünschen
und Bedürfnissen einbringen.
Erfahrungen mit Korrespondenzen zeigen, dass die Schüler/Lerner
neugierig sind, was ihre Korrespondenten ihnen für Texte
geschickt haben. Die Neugier der Schüler, den Inhalt der
Korrespondenzberichte zu erfahren, treibt sie an, die Wörter
und den Inhalt kennenzulernen und eine lesbare Schrift zu verwenden.
Heute werden viele Korrespondenzen auch mit dem Computer erstellt.
Die Kinder vergrößern durch Korrespondenzen in der
Regel ihren Wortschatz, da sie durch das Lesen der Texte der Partner
neue Worte kennen lernen und sich in Antworten meist differenziert
äußern wollen.
Zur theoretischen Begründung kann die konstruktivistische
Didaktik herangezogen werden, denn durch die Korrespondenz wird
der Lernende selber produktiv. In der Produktion wird etwas aktiv
und eigenständig konstruiert, etwa in der Planung, wie das
Mitzuteilende formuliert werden soll. Oder auch in der Erarbeitung
einer ansprechenden Gestaltung. Es finden vielerlei weitere Prozesse
statt: Reflektieren, Erkennen und Verstehen, die durch das selbstständige
Tun des Schülers/Lerners geprägt sind.
Korrespondieren bedeutet, einen Weltbezug aufzunehmen und sich
anderen zu öffnen. Dabei wird der Blick für sich selbst
und den anderen geschärft. Durch die Art der Mitteilung gibt
der Korrespondierende etwas von seiner Weltauffassung preis. Der
Schreibprozess wird dabei von der Vorstellung begleitet, wie der
Empfänger auf das Geschriebene reagieren wird. Dies fördert
eine bedeutsame soziale Kompetenz, die Fähigkeit der Empathie.
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