Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

4. Darstellung der Methode

Es gibt keine einheitliche Definition Offenen Unterrichts. Kasper geht so weit, dass er sagt: „Offenen Unterricht definieren zu wollen, ist ein Widerspruch in sich selbst“ (Kasper 1994, S. 5) In der Literatur finden sich verschiedene Versuche einer Definition, die sich teilweise in gewissen Punkten ähneln, aber durchaus unterschiedliche Verständnisse von Offenem Unterricht aufzeigen. Gründe für diese sehr unterschiedlichen Verständnisse von Offenem Unterricht lassen sich vor allem darin finden, dass hier kein wissenschaftlicher Ansatz entwickelt wurde, sondern Konzeptionen im Sinne von „Meisterlehren“ bestimmter Praktiker, die ihre Ansichten verallgemeinern.

 

4.1 Gängige Definitionen Offenen Unterrichts:

Die Heterogenität und Unklarheit der Konzeptionen über Offenen Unterricht zeigt sich in unterschiedlichen Definitionen. Hier sind einige ausgewählt:

Offener Unterricht als Sammelbezeichnung:
„Auf der Grundlage verschiedener Vorschläge … möchte ich Offenen Unterricht kennzeichnen als Sammelbegriff für unterschiedliche Reformansätze in vielfältigen Formen inhaltlicher, methodischer und organisatorischer Öffnung mit dem Ziel eines veränderten Umgangs mit dem Kind auf der Grundlage eines veränderten Lernbegriffs“ (Wallrabenstein 2001, 54).

Offener Unterricht als Teil humanistischer Psychologie:
„Offener Unterricht kann als eine pädagogische Variante der personenzentrierten Psychologie im Sinne von Rogers aufgefasst werden; der Rogers-Ansatz gibt also die Ziele vor. Die Einzelmerkmale des Offenen Unterrichts sind aus den empirisch vorfindbaren Umsetzungen abzuleiten“ (Goetze 1992, 258).

Offener Unterricht als methodisches und soziales Konzept:
„Offener Unterricht gestattet es dem Schüler, sich unter der Freigabe von Zeit, Raum und Sozialform Wissen und Können innerhalb eines „offenen Lehrplanes“ an selbst gewählten Inhalten auf methodisch individuellem Weg anzueignen.
Offener Unterricht zielt im sozialen Bereich auf eine möglichst hohe Mitbestimmung bzw. Mitverantwortung des Schülers bezüglich der Infrastruktur der Klasse, der Regelfindung innerhalb der Klassengemeinschaft sowie der gemeinsamen Gestaltung der Schulzeit ab“ (Peschel 2002, 78).

Offener Unterricht als Schülerorientierung:
„Mit dem Terminus ‚Offener Unterricht’ wird ein Unterricht bezeichnet, dessen Unter­richtsinhalte, -durchführung und -verlauf nicht primär vom Lehrer, sondern von den Interessen, Wünschen und Fähigkeiten der Schüler bestimmt wird, wobei der Grad der Selbst- und Mitbestimmung des Lernenden durch die Schüler zum entscheidenden Kriterium des Offenen Unterrichts wird“ (Neuhaus-Siemon 1989 zitiert in: Jürgens, 43).

Jürgens versucht durch eine Analyse verschiedener Definitionen, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und auf dieser Grundlage Kriterien aufzustellen, die Offenen Unterricht kennzeichnen. Diese beziehen sich auf:

  • Schülerverhalten
    • Eigenständigkeit hinsichtlich Entscheidungen über Arbeitsformen und Arbeits­möglichkeiten, soziale Beziehungen, Kooperationsformen o.ä.
    • Selbst- bzw. Mitbestimmung bei der Auswahl von Unterrichtsinhalten, der Unterrichtsdurchführung und des Unterrichtsverlaufs,
    • Selbstständigkeit in Planung, Auswahl und Durchführung von Aktivitäten.
  • Lehrerverhalten
    • Zulassung von Handlungsspielräumen und Förderung von (spontanen) Schüler­aktivitäten,
    • Preisgabe bzw. Relativierung des Planungsmonopols,
    • Orientierung an den Interessen, Ansprüchen, Wünschen und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler.
  • Methodisches Grundprinzip
    • Entdeckendes, problemlösendes und handlungsorientiertes sowie selbst­verant­wortliches Lernen.
  • Lern-/ Unterrichtsformen
    • Freie Arbeit,
    • Arbeit nach einem Wochenplan,
    • Projektunterricht.

Nach Peschel ist das Wesentliche beim Offenen Unterricht das Denken vom Kinde aus und daher fordert er:
„Der Lehrer muss die Schüler vom ersten Tag an wirklich selbstständig arbeiten lassen. Er muss sie als Individuen sehen und annehmen. Er muss ihnen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, darf dabei aber nicht ihre Selbstständigkeit einschränken. Dabei muss nicht jede Stunde Unterricht in der Schule offener Unterricht sein, aber dieser muss immer die Ausgangsbasis darstellen. Das Vertrauen des Lehrers in die Schüler muss bei jedem Fach und jeder Methode ehrlich und für die Kinder offensichtlich sein.“ (Peschel 2002)

 

4.2 Dimensionen offenen Unterrichts (vgl. Peschel 2002)

Damit eine Abgrenzung zu anderen Formen vorgenommen werden kann, ist es nach Peschel wichtig, eine Mindestanforderung an Offenen Unterricht zu formulieren bzw. eine Ein­stufungshilfe für die Öffnung von Unterricht vorzugeben. Als Grundlage für eine Einteilung möglicher Untersuchungskriterien für Offenen Unterricht bieten sich nachfolgend aufgeführte Dimensionen von Unterricht an:

  • organisatorische Offenheit : Bestimmung der Rahmenbedingungen: Raum, Zeit,  Sozialform usw.
  • methodische Offenheit: Bestimmung des Lernweges auf Seiten des Schülers
  • inhaltliche Offenheit: Bestimmung des Lernstoffes innerhalb der offenen Lehrplanvorgaben
  • soziale Offenheit: Bestimmung von Entscheidungen  bezüglich der Klassenführung bzw. des gesamten Unterrichts, der (langfristigen) Unterrichtsplanung, des konkreten Unterrichtsablaufes, gemeinsamer Vorhaben usw. Bestimmung des sozialen Miteinanders bezüglich der Rahmenbedingungen, dem Erstellen von Regeln und Regelstrukturen usw.
  • persönliche Offenheit:Beziehung zwischen Lehrer-Kinder und Kinder-Kinder

Aus diesen Kriterien heraus lassen sich nun verschiedene Öffnungsvarianten konstruieren, die von nicht vorhanden (= traditionelles, lehrerzentriertes Unterrichtsmodell) bis hin zu weitestgehend (= Offener Unterricht) reichen. Die Übersicht verdeutlicht aber auch, dass es viele Übergänge hin zum Offenen Unterricht gibt, was den Umstand reflektiert, dass in der Praxis viele Maßnahmen erst nach und nach umgesetzt oder erreicht werden können:

 

 

Organisatorische Offenheit
(Inwieweit können die Schüler Rahmenbedingungen ihrer Arbeit selbst bestimmen?)

Methodische Offenheit
(Inwieweit kann der Schüler seinem eigenen Lernweg folgen?)

Inhaltliche Offenheit
(Inwieweit kann der Schüler über seine Lerninhalte selbst bestimmen?)

Soziale Offenheit
(Inwieweit kann der Schüler in der Klasse (Unterrichtsablauf, Regeln) mitbestimmen?)

Persönliche Offenheit
(Inwieweit besteht zwischen Lehrer und Schüler bzw. Schüler und Mitschülern ein positives Beziehungsklima?)

Weitestgehend

Primär auf eigener Arbeitsorganisation der Kinder basierender Unterricht

Primär auf „natürlicher“ Methode/ Eigenproduktion basierender Unterricht

Primär auf selbstgesteuertem/ interessengeleitetem Arbeiten basierender Unterricht

Selbstregierung der Klassengemeinschaft

Auf „Gleichberechtigung“ abzielende „überschulische“ Beziehung

Schwerpunktmäßig

Offene Rahmenvorgaben

Meist Zulassen eigener Zugangsweisen/ Lernwege der Kinder

Inhaltlich offene Vorgaben von Rahmenthemen oder Fachbereichen

Kinder können eigenverantwortlich in wichtigen Bereichen mitbestimmen

Für Beachtung der Interessen des Einzelnen offene Beziehungsstruktur

Teils-Teils

Öffnung der Rahmenvorgaben in einzelnen Teilbereichen

In Teilbereichen stärkerer Einbezug/ stärkeres Zulassen eigener Wege

In Teilbereichen stärkere Öffnung der inhaltlichen Vorgaben zu vorgegebener Form

Kinder können lehrergelenkt in Teilbereichen mitbestimmen

In bestimmten Teilbereichen/ bei bestimmten Kindern offenerer Umgang

Erste Schritte

Punktuelle Öffnung der Rahmenvorgaben in einzelnen Teilbereichen

Kinderwege werden aufgegriffen, aber die Hinführung zum Normweg bestimmt das Geschehen

Kinder können aus festem Arrangement frei auswählen oder sie können Inhalte zu fest vorgegebenen Aufgaben selbst bestimmen

Schüler werden nur peripher gefragt, Lehrer weiß schon vorher, wie es laufen sollte; Kinder können in (belanglosen) Teilbereichen mitbestimmen

Schüler werden zeitweise angehört und dann auch beachtet

ansatzweise

Öffnung der Rahmenvorgaben kaum wahrnehmbar/ begründbar

Anhören einzelner Ideen der Kinder, aber der Lehrgang bestimmt das Geschehen

Einzelne inhaltliche Alternativen ohne große Abweichung werden zugelassen

Vorgabe von Verhaltensregeln durch Lehrer oder Schulvorgaben

Schüler werden angehört, aber der Lehrer bestimmt weiterhin das Geschehen

Nicht vorhanden

Vorgabe von Arbeitstempo, - ort, -abfolge usw. durch Lehrer oder Material

Vorgaben von Lösungswegen/ -techniken durch den Lehrer oder Arbeitsmittel

Vorgaben von Arbeitsaufgaben /-inhalten durch Lehrer oder Arbeitsmittel

Lehrerzentrierte Vorgaben

Begründung der Beziehung durch Alter oder Rollen-/ Gruppenhierarchie

(Vgl. Peschel 2002)

Um die o.g. Dimensionen Offenen Unterrichts fassbarer zu machen, schlägt Peschel folgende „Stufen“ Offenen Unterrichts vor:

4.3 Stufenmodell des Offenen Unterrichts (vgl. Peschel 2002)

Stufe 0 als Vorstufe „Geöffneter Unterricht“ – nicht „Offener Unterricht“
Differenzierte Arbeitsformen (freie Arbeit, Wochenplan, Werkstätten, Stationen,…) bei denen relativ unwichtige Komponenten freigegeben werden, wie z.B. Zeit, Ort, Sozialform,…
Die Inhalte, Methoden und Lernweg werden noch weitgehend durch Schulbücher, Karteien oder sonstige Aufträge vorgegeben.
Grundidee: Lernen muss Passung haben

Stufe 1: Die methodische Öffnung
Die methodische Öffnung ist die Grundbedingung für eine Öffnung des Unterrichts und basiert auf der konstruktivistischen und lernpsychologischen Annahme, dass Lernen ein eigenaktiver Prozess ist. Der Lernweg wird ganz freigegeben, so dass die Kinder ihren eigenen Weg zur Lösung des Problems suchen. Der Lehrer wählt unter Umständen lediglich die Inhalte und Problemstellung aus und macht sie den Kindern zugänglich.
Grundidee: Lernen ist ein eigenaktiver Konstruktionsprozess des Einzelnen

Stufe 2: Die methodische und inhaltliche Öffnung
Grundlage für die Erweiterung der Öffnung um die inhaltliche Dimension ist der Ansatz des interessenbezogenen Lernens. Man lernt am schnellsten und einfachsten, wenn man sich für etwas interessiert. Für den Unterricht bedeutet das, dass es keine vorstrukturierten Lehrgänge oder Arbeitsmaterialien gibt, sondern dass die Schüler eigene Themen zur Bearbeitung mit in die Schule bringen, die sie interessieren.
Grundidee: Lernen ist am effektivsten, wenn es vom Lernenden als selbstbestimmt und signifikant erlebt wird.

Stufe 3: Die sozial-integrative Öffnung
Es wird versucht, Basisdemokratie und Schülermitgestaltung im Unterricht insgesamt zu verwirklichen. Das bedeutet, dass vom Lehrer keinerlei Regeln und Normen vorgeschrieben werden (was aber nicht bedeutet, dass er sie nicht vorlebt und als persönliches Recht einfordert). Die für das Zusammenleben notwendigen Absprachen unterliegen einer dauernden Veränderung und Anpassung und liegen in der Verantwortung aller. Der Lehrer ist dabei ein gleichberechtigtes Mitglied der Gemeinschaft und unterliegt den gleichen Regeln und Absprachen.
Grundidee: Soziale Erziehung ist am effektivsten, wenn die Strukturen vom Einzelnen selbst mitgeschaffen und als notwendig und sinnvoll erlebt werden.

4.4 Organisation der Lernprozesse

Unter „Lernen“ versteht man außer der Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten auch die Auseinandersetzung eines Individuums mit Dingen, Sachverhalten oder Personen (vgl. Bönsch 1979). In den zum Offenen Unterricht gehörenden Arbeitsformen wie Projektlernen, Stationenarbeit, Freiarbeit, Wochenplan oder Gruppenunterricht kann experimentierendes, entdeckendes, erfahrungsentfaltendes und handlungsorientiertes Lernen realisiert und erprobt werden.
Anders als beim Frontalunterricht dient das freie Arbeiten dazu, dass sich Schüler selbstständig Inhalte, Ziele und Gestaltung ihrer Aktivitäten wählen sollen. Ihre Kreativität soll angeregt werden. Anleitung und Hilfe ist von der Lehrperson so zu gestalten, dass eigenständiges Arbeiten und die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen, zunehmen (vgl. Hegele 1997, S.7).
Es werden Lernfelder entwickelt, die an der Lebenswirklichkeit orientiert sind. „Der handelnde Umgang als bevorzugtes Lernverhalten, die Vermeidung einer Verkürzung der Lernprozesse auf den kognitiven Bereich, die Wahrung von Offenheit und Flexibilität, die Berücksichtigung gesellschaftlicher Lernerfordernisse und individueller Lernbedürfnisse in der Gegenwart und Zukunft und die elementare Wissenschaftsorientierung sind Konstruktionsmerkmale für die Lernfelder.“ (Bönsch 1979,  24).
Damit offener Unterricht möglich werden kann, darf er nicht so viele inhaltliche Vorgaben haben, damit die Schüler nicht nur ausführende Funktionen haben. „ ‚Nicht je offener, desto besser’, sondern der Grad von Offenheit, der jeweils angemessen ist, hängt stets von den Zielen der jeweiligen Situation ab und wird deshalb von Fall zu Fall unterschiedlich sein“ (Wagner 1978,  53).

 

4.5 Soziale Aspekte

Wesentlich für das Gelingen Offenen Unterrichts ist, nach Goetze, ein Minimum an abgesprochenen, ggf. vorbereitend eingeübten, Regeln in der Gruppe sowie eine gewisse Selbstständigkeit und Planungsfähigkeit der einzelnen Schüler.
Offener Unterricht erfordert weitgehend eine gemeinsame Planung, Steuerung und Auswertung von Unterricht. Schüler und Lehrperson interagieren miteinander. Die Schüler realisieren den Unterricht mit.
Bei dieser Unterrichtsform werden Sozialformen praktiziert, die soziale Beziehungen fördern (Unterrichtsgespräch, Kleingruppenarbeit, Partnerarbeit, etc.). Dieser kommunikativ ange­legte Unterricht zielt darauf ab, eine Schüler-Lehrer-Lerngemeinschaft auf Zeit zu etablieren. Schüler sowie Pädagoge bringen Absichten, Bedürfnisse, Interessen und Kompetenzen ein.
Stehen die Schüler einem offenen Unterricht positiv gegenüber, sollte die Lehrkraft folgende kommunikationsfördernden Verhaltenstendenzen aufzeigen:

  • Eigenes Vorgehen begründen,
  • Vorschläge von Schülern aufnehmen,
  • Alternativen bereit halten,
  • Kritik akzeptieren können,
  • Teamfähigkeit fördern,
  • Argumentieren und nicht über die Schüler hinweg entscheiden,
  • sich selbst in Frage stellen können,
  • Freiraum lassen für selbständiges Arbeiten,
  • Schüler als gleichberechtigten Gesprächspartner anerkennen,
  • eigene Kompetenzen und deren Grenzen erkennen,
  • eigene Auffassungen entschieden vertreten, aber nicht auf deren uneingeschränkter Einhaltung bestehen à Kompromissbereit sein,
  • Hilfsbereitschaft zeigen,
  • Schüler emotional stützen,
  • Vermeiden von angsterzeugendem Klima,
  • Schülern Erfolge ermöglichen à Leistungszwang minimieren. (Vgl. Bönsch 1979)

 

4.6 Forschungsergebnisse zum Offenen Unterricht an Allgemeinen Schulen

Die Forschungsergebnisse zum Offenen Unterricht sind bisher eher als subjektiv im Rahmen von Lehrerbeschreibungen und Vermutungen vorliegend. In verschiedenen Studien zeichnen sich allerdings Trends ab. Giaconia und Hedges (1982) führten eine Metaanalyse von 150 Untersuchungen durch, in denen Offener Unterricht mit traditionellem Unterricht verglichen wurde. Nach den Ergebnissen dieser Studie wurden durch Offenen Unterricht folgende Bereiche etwas besser gefördert: Selbstständigkeit, Kreativität, mentale Fähigkeiten, Kooperativität, Neugier und die Einstellung zu Schule und Lehrer. Die Ergebnisse in den Bereichen Sprache, Rechnen, Lesen, weiterer Schulleistungen sowie der Leistungsmotivation, weisen teilweise auf eine gewisse Überlegenheit der traditionellen Unterrichtsform hin. Petra Hanke stellte in einer empirischen Untersuchung fest, dass viele Lehrer, die meinten, offenen Unterricht zu praktizieren, gar nicht den Kriterien an diesen Unterricht genügten. Offener Unterricht ist mehr eine Einstellung, aber auch eine Fiktion, die in der Praxis nicht vollständig umgesetzt werden kann. Sie kommt ferner zu dem Schluss, dass bei engeren Messungen keine unmittelbaren Vorteile des offenen oder teilweise geöffneten Unterrichts erkennbar sind, dass jedoch für den kreativen Bereich mit solchen Vorteilen gerechnet werden kann (vgl. Petra Hanke: Lehr-Lernkulturen und schriftsprachliche Handlungskompetenzen im Primar­stufen­bereich. Habilitationsschrift Universität zu Köln, 2002).

 

4.7 Mögliche Probleme auf dem Weg zum Offenen Unterricht

Die Realisierung eines „Offenen Unterrichts“ kann sich durchaus schwierig gestalten. Mögliche Probleme könnten sein:

  • Potenzielle Störanlässe können aufgrund des unterschiedlichen Lebensalters, Lebens­erfahrungen, sowie unterschiedlicher Sprachkompetenzen von Lehrperson und Schüler vorliegen. Diese werden mit dem Begriff Dominanzproblem bezeichnet.
  • Die institutionelle Ordnung der Schule und des Schulsystems bringt den Schüler in eine Position der Abhängigkeit: Die Notengebung und somit die Entscheidung über die schulische Laufbahn eines Schülers sind als gravierendes Problem zu nennen. Bewertungen von Gruppenarbeiten beispielsweise können sich als schwierig erweisen.
  • Mangelnde räumliche Möglichkeiten können z.B. einen Projektunterricht nur bedingt oder gar nicht möglich machen.
  • Der aufgestellte Stundenplan stellt zusätzlich eine Problemquelle dar. Da der Unterricht generell fachbezogen und somit von Fachlehrern abgehalten wird, sind Arbeitsformen, die sich über mehrere Unterrichtsstunden erstrecken oft nur schwer oder gar nicht zu realisieren.
  • Die Schulleitung sowie die Lehrperson selbst müssen gewillt sein, vom traditionellen, frontalen Unterricht abzuweichen. Der Offene Unterricht bedarf einer längeren Vorbereitungs- und Planungszeit und beinhaltet eine entsprechend umfangreiche und zeitintensive Materialbeschaffung.
  • Die Gesellschaft ist stark auf die Erreichung von Leistungsstandards ausgerichtet. Der Vernachlässigung der gesellschaftlich und individuell wichtigen Kenntnisse und Fertigkeiten muss durch gute Planung entgegengewirkt werden. Fächerübergreifender Unterricht muss mit Vorgesetzten abgestimmt und Kollegen organisiert werden.

Die möglichen Vor- und Nachteile der offenen Unterrichtsform sollten von der Lehrperson gut überdacht werden. Letztlich muss für jede Schulform und jede Klasse individuell herausgefunden werden, welche Unterrichtsform sich in welchem Fach am besten eignet und die besten Ergebnisse erzielt.