7. Praxiserfahrungen
Ein Auszug aus einem Interview mit einem Open Space-Moderator (Petersen 2000, 101f) zeigt beispielhaft Praxiserfahrungen auf:
„Wie würden Sie die Atmosphäre während des Open Space beschreiben?“
„Ich kann mich noch genau erinnern, als wir im Kreis saßen. Ich als Moderator erläuterte, worum es geht, und habe versucht, es sehr offen zu machen, frei von der Leber und sehr ehrlich: ‚Lasst euch mal drauf ein.’ Ein bisschen habe ich gebuhlt um Bereitschaft und gesagt, macht das mal mit, mal sehen, was kommt. Und ich habe deutlich gemacht, dass es in Ordnung ist, wenn jemand nach zwei Stunden keine Lust mehr hat und nach Hause geht. Der braucht sich nicht zu entschuldigen. Da merkte man schon, das knistert. Eine positive Erwartungshaltung: Was geht hier ab?
Die Grundsätze, wie ‚Es beginnt, wenn es beginnt’, ‚Vorbei ist vorbei’, waren für viele...ich will nicht gerade sagen abgehoben, aber diese weichen Faktoren waren für die Ingenieure, den Großteil der Teilnehmer, die tagsüber stark deterministisch denken, ungewohnte Ansätze.
Wir hatten einen großen Bogen Packpapier in die Mitte gelegt, die Themenzettel darauf, die Stifte daneben. Das hatte was von Lagerfeuer. Man saß da um das Lagerfeuer herum, da wurde auch herumgeflachst. Aber das hat der Atmosphäre sehr genutzt, es war sehr offen. Das blieb es auch während der gesamten Veranstaltung.
Es sagten sogar ein paar Leute: Ich gehe mal von Gruppe zu Gruppe, pendele und gucke mal. Nach meinem Begriff noch zu wenige, ich hätte mir gewünscht, dass mehr gesagt hätten: Ich kann dazu nichts mehr beitragen, ich gehe jetzt einfach mal. Das könnte man vielleicht noch ein bisschen stärker kultivieren. Aber es lief schon gut. Das, was wir uns erhofft hatten, ist eingetreten. Insofern war es ein voller Erfolg.“
Die Internetseite von Michael M. Pannwitz führt dieses Beispiel für Open Space im Schulbereich an:
Die neue SV: Schon vor dreieinhalb Jahren stellte sich der damalige Schulsprecher Christoph Kalz die Frage: "Heißt SV eigentlich Sabbeln ohne Vorwärtskommen?" Auch wir, die wir uns nun schon einige Jahre mit Schüler- Vertretung (so heißt es nämlich eigentlich) befasst haben, konnten uns dieser Frage oft nicht entziehen. Nicht immer interessierte sich jeder SV-Vertreter für jedes der vielen Themen, die in den zwei Stunden pro Monat abgehandelt wurden. Oft reichten diese Stunden durch die vielen Wortbeträge nicht aus. Das hemmte Produktivität und Motivation.
Natürlich lag die Einführung von Gruppenarbeit nahe. 1998 wurde der Versuch dazu erstmals unternommen, scheiterte allerdings bereits nach einer SV am Fehlen von Vertrautheit mit dem neuen System. Die SV war offensichtlich nicht genügend vorbereitet und somit noch nicht bereit für mehr Verantwortung beim einzelnen und Vertrauen in die Arbeitsergebnisse der anderen Gruppen. Man kehrte zum alten Modell des Plenums zurück, bis zum Dezember 2000, als endlich ein SV-Seminar zum Thema SV-Arbeit stattfand. Ein Wochenende lang lernten die SV-Vertreter "Open Space" kennen. Es handelt sich hierbei ja um ein Verfahren, das davon ausgeht, dass jeder, der sich für ein Thema interessiert, bei diesem Thema am besten mitarbeiten kann. Das klingt einleuchtend und simpel und scheint auch und gerade für Schüler das passende Konzept. Kurz zusammengefasst könnte man nämlich sagen: jeder macht genau das, was er will, und jeder macht dabei das Richtige.
Geprägt vom alten Grundsatz: "Jeder macht, was er soll, und zwar vernünftig!" könnten natürlich Kritiker der SV nun Zweifel anmelden, ob mit diesem Prinzip die Produktivität der SV tatsächlich gesteigert wird. Schafft es die SV in kleinen Gruppen, in denen sich niemand mehr "verstecken" kann, eigenverantwortlich die konkreten Interessen der Schülerschaft zu diskutieren und zu vertreten? Um ehrlich zu sein, ich hätte diese Frage vor der letzten SV (der ersten nach dem Seminar) mit "nein" beantwortet. Um so erstaunlicher die Resultate: in etlichen Gruppen wurden zu den verschiedensten Themen - von der Bekämpfung von Nazischmierereien an unserer Schule über das Schüler-Lehrer-Verhältnis und den Projekttag bis hin zu dem Wettbewerb "Schönster Klassenraum" - konkrete Ergebnisse erarbeitet: die in den 7. Klassen bereits eingeführte Sozialstunde soll zur Verbesserung des Schüler-Lehrer-Verhältnisses und des gesamten Schulklimas auf die 8. und 9. Klassen ausgeweitet werden, zur Bekämpfung der Schmierereien wird eine Fotomappe zusammengestellt usw. Und das alles unter noch nie erlebter Einbeziehung der unteren Jahrgänge.
Endlich scheint die SV mit dem "Open Space"- Konzept ihre ideale Arbeitsweise gefunden zu haben. (Patricia Schulz, Schülerin des 13. Jahrgangs)
http://www.michaelmpannwitz.de/index.php?id=100 vom 8.05.07 |