Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

6. Reflexion der Methode


>> 6.1 Methodenkompetenz
>> 6.2 Methodenvielfalt
>> 6.3 Methodeninterdependenz


6.1 Methodenkompetenz

Die Kompetenz, die diese Methode voraussetzt und vermittelt, basiert auf dem Prinzip der Selbstorganisation. Den Teilnehmern wird lediglich ein Leitthema vorgegeben, anschließend handeln und arbeiten sie in Gruppen sehr frei und selbstständig. Der Arbeitsprozess wird kaum von außen gesteuert oder kontrolliert, d.h. die Teilnehmer erleben sich selbst als Verursacher ihrer Handlungen und Arbeitsergebnisse. Zudem fühlen sie sich durch die große Zahl an Mitbestimmungsmöglichkeiten eher akzeptiert und wertgeschätzt. Je höher der Grad der Selbstbestimmung ausfallen kann, desto mehr kann auch mit einer gesteigerten Motivation gerechnet werden.
Die Teilnehmer erfahren, dass sie selbst Veränderungen ermöglichen und Selbstverantwortung übernehmen. Jeder von ihnen kann die gemeinsam mit anderen erreichten Fortschritte verfolgen und betrachten. Werden die Arbeitsergebnisse von Open Space und deren Umsetzung als Erfolg erlebt, so wird dieser Erfolg aufgrund der selbstverantwortlichen und eigenständigen Beteiligung zu hohem Maße auch auf die eigene Person bezogen. Aus pädagogischer Sicht ist es besonders günstig, Erfolg oder eine gute Leistung auf die eigene Anstrengung, die selbst kontrolliert und beeinflusst wird, zurückzuführen, da dies signifikant den Selbstwert erhöhen kann.
Eine weitere Kompetenz, die diese Methode fördert,  ist die Kommunikationsfähigkeit. Haben die Teilnehmer im Rahmen einer Open Space-Veranstaltung miteinander und auch über alle Hierarchieebenen hinweg konstruktiv kommuniziert, wird dies später auch im Arbeitsleben in der Organisation besser gelingen.
Im Open Space arbeiten alle Teilnehmer gleichberechtigt, so haben auch Führungskräfte keine Sonderstellung. Open Space zielt auf den Abbau traditioneller Autoritätsstrukturen in Organisationen und trägt damit z.B. zu einer Änderung des Verhältnisses von Mitarbeiter und Führungskraft bei, beispielsweise mit dem Resultat, dass Vertrauen untereinander entsteht oder sich das gegenseitige Verständnis erhöht.
Die bisherige Darstellung des Open Space konzentrierte sich auf die Vorteile der Methode, um die Bereitschaft zu stärken, dieses offene und fruchtbare Verfahren anzuwenden. Nun soll im Rahmen der Reflexion auch ein kritischer Blick auf die Methode geworfen werden.
Um in einer Open Space-Veranstaltung produktive Ergebnisse zu erlangen, erscheint es notwendig, dass die Teilnehmenden auf das selbstständige Arbeiten im Team vorbereitet sind: Sie sollten über Wege verfügen, ihr eigenes Potenzial in die Gruppe einbringen zu können. Das freie Arbeiten in der Kleingruppe eröffnet einerseits prinzipiell jedem den Raum, seine Gedanken, Ideen, Vorschläge usw. unbegrenzt zum Ausdruck bringen zu können, andererseits stellt sich hier jedoch die Frage, inwieweit dieser Raum praktisch genutzt wird bzw. werden kann. Die Gruppenarbeit lebt von der Heterogenität der Gruppenmitglieder, die Perspektivenvielfalt, vielseitig-unterschiedlichen Einfallsreichtum und Dynamik verspricht. Dieses Versprechen kann jedoch nur dann eingelöst werden, wenn die Teilnehmer eine Haltung der Achtsamkeit gegenüber den Beiträgen anderer einnehmen. Das besagt nicht nur, diese bereitwillig anzuhören, kritisch zu überdenken oder anzunehmen, sondern auch, jeden Teilnehmer auch wirklich zu Wort kommen zu lassen. In jeder Gruppe, gerade in einer explizit heterogen zusammengesetzten, arbeiten extrovertierte oder dominante Persönlichkeiten mit introvertierten, zurückhaltenden Teilnehmern zusammen. Es gilt hier eine Atmosphäre zu schaffen, die es erlaubt, dass sich jeder auf seine ihm eigene Weise und entsprechend seiner individuellen Bedürfnisse einbringen kann. Konkret bedeutet dies die Vermeidung von Vielrednerei durch einzelne dominante Gruppenmitglieder und eine gesteigerte Sensibilität gegenüber möglicher Entwertung der Beiträge anderer in der eigenen Ausdrucksweise (Wortwahl, Mimik, Gestik). Die Methode des Open Space übt die kommunikativen Fähigkeiten, doch kommunikative Grundvoraussetzungen sollten die Teilnehmer in einem solch offenen Verfahren bereits mitbringen. Bei Problemen muss sich die jeweils vorhandene Gruppe selbst kontrollieren und regulieren. Für die Gruppenarbeit wirkt es sich günstig aus, wenn einige Teilnehmer schon über methodische Vorkenntnisse verfügen. Methoden wie Clustering, Meta-Plan, Moderation, aber auch Feedback erleichtern, bereichern und strukturieren die gemeinsame Arbeit. Sie wirken nicht nur anregend für den Prozess, sondern sind besonders als Hilfestellung für die eigenständige, selbstbestimmte Lösungssuche orientierungsstiftend.
Alle diese Merkmale zeigen sich deutlich mit dem konstruktivistischen didaktischen Ansatz verbunden. Insbesondere die Möglichkeiten zur Partizipation, die in Open Space stecken, können im Rahmen der Methodenkompetenz auch in kürzeren didaktischen Phasen z.B. des Schulunterrichts genutzt werden.


6.2 Methodenvielfalt

Open Space kann bei unterschiedlichen Themenbereichen, Fragestellungen und Organisationen eingesetzt werden. In einer nicht repräsentativen Umfrage (vgl. Maleh 2001, 132ff) wurden 165 Open Space-Veranstaltungen im deutschsprachigen Raum untersucht. Es zeigte sich, dass vor allem gewinnorientierte (Groß-)Unternehmen Open Space-Veranstaltungen durchführen. Open Space findet jedoch auch in Vereinen, Kirchen, Kindertagesstätten, in Kommunen und Verwaltungen sowie in Schulen, Bildungseinrichtungen sowie Stiftungen u.a. statt.
Die Anwendungsbereiche für Open Space sind vielfältig, in der Umfrage sind folgende Anlässe häufig genannt worden (eine Auswahl):

  • Veränderungsprozesse in Organisationen (z.B. Neuausrichtungen, Veränderung der Organisationsstrukturen, Fusionen)
  • Einführung und Verbesserung der Unternehmenskultur (z.B. Entwicklung von Unternehmenszielen oder eines Leitbildes)
  • Leistungssteigerung durch Optimierung von Prozessen und Strukturen
  • Verbesserung von Kommunikation und/oder Motivation der Mitarbeiter, Identifikation mit der Organisation, verbesserte Zusammenarbeit

Die Methode sollte aber nur angewendet werden, wenn die Teilnehmer persönlich vom Leitthema betroffen sind und dringender Handlungsbedarf für die Organisation besteht, da eine gewisse Bereitschaft und Motivation zum Handeln vorausgesetzt wird. Open Space fand bei den untersuchten Organisationen in Form von Konferenzen, Tagungen oder Besprechungen statt und dauerte von 0,5 bis 6 Tage.
„Open Space kommt immer dann in Frage, wenn ein bislang unbekanntes Terrain oder Thema mit neuen, kreativen Ideen erschlossen werden soll, ohne dass jemand das Ergebnis im Voraus kennt oder bestimmt. Insofern ist der Anwendungsbereich von Open Space grundsätzlich nicht eingeschränkt.“ (Vgl. Petersen 2000, 87)
Vor diesem Hintergrund kann gesagt werden, dass einige traditionelle Konferenzen durch Open Space-Veranstaltungen ersetzt werden können und sollten. Dies kann in vielen Fällen sowohl für die Organisation als auch für die Teilnehmer schneller zu effizienteren Ergebnissen führen und einige weitere positive Effekte haben.
Open Space wird allerdings nicht andere Verfahren vollständig ersetzen können noch sollen. Es stellt eine Ergänzung insbesondere zu Moderationen und Metaplan dar, lässt sich teilweise auch mit solchen Verfahren mischen.


6.3 Methodeninterdependenz

Neben Open Space gibt es weitere Konferenzmethoden für Großgruppen, die auf ähnlichen Prinzipien beruhen. Solche Methoden nennt man „Großgruppeninterventionsmethoden“ (vgl. Maleh 2001, 24) oder „Beteiligungs-Verfahren“ (vgl. Petersen 2000, 85). Zwei dieser Methoden sind Future Search (Zukunftskonferenz) und Real Time Strategic Chance (Strategiekonferenz). Bei Zukunftskonferenzen steht im Mittelpunkt, mit verschiedenen Interessensgruppen gemeinsame Zukunftspläne zu entwickeln und entsprechende Ziele und Maßnahmen festzulegen. Ähnlich geht auch die Zukunftswerkstatt vor. In Strategiekonferenzen werden von den Mitarbeitern Maßnahmen für zuvor von der Organisationsleitung festgelegte Ziele (z.B. neue Unternehmensstrategie) erarbeitet. Die Verfahren haben also unterschiedliche Schwerpunkte in der Zielsetzung. Sie unterscheiden sich außerdem in einigen Merkmalen. Ein bedeutender Unterschied von Open Space zu Real Time Strategic Change ist, dass die Teilnehmer von Strategiekonferenzen lediglich die Maßnahmen zu einem bereits vorgegebenen Ziel erarbeiten, während bei Open Space nur ein Leitthema angegeben wird und die Teilnehmer freier arbeiten. Sowohl bei Strategie- als auch bei Zukunftskonferenzen sind die teilnehmenden Personen an Phasen gebunden und bearbeiten vorgeschriebene Aufgaben, während der „Grad der Struktur“ (Maleh 2001, 26) bei Open Space-Konferenzen geringer ist. Daraus ergibt sich, dass die Teilnehmer von Open Space eine höhere Selbstverantwortung haben und sich im größeren Maße Kreativität entfalten kann. Open Space hat den höheren logistischen Aufwand (es werden mehr Räume benötigt), allerdings die kürzere Vorbereitungszeit. Die Methode ist außerdem auch für sehr große Gruppen anwendbar.
Grundsätzlich können mit Open Space auch andere Methoden kombiniert werden. Werden mehrere Veranstaltungen geplant, kann beispielsweise mit einer Open Space-Konferenz begonnen werden, um neue, kreative Einfälle zu entdecken und zu fördern. Referenten- oder Expertenvorträge könnten z.B. vor dem Einsatz der Methode stattfinden, andere Methoden nach der Erarbeitung, um Prozesse zu verfeinern.
Open Space sollte allerdings in der Phase, in der es um die Open Space-Ziele geht, möglichst für „sich alleine“, d.h. von den anderen Methoden abgegrenzt, durchgeführt werden, um seine Vorteile im Sinne der oben genannten Durchführungsbestimmungen (Leitziele und Gesetze) voll entfalten zu können.
Im Ablauf von Open Space spielen u. a. Methoden wie Moderation, Präsentations- oder Kreativitätstechniken (z.B. Brainstorming) eine Rolle. Da die Methode kein striktes Regelwerk für die Gruppenarbeit bereithält, sondern der Arbeitsprozess uneingeschränkt durch die Teilnehmenden gelenkt und gestaltet wird, eröffnet sich ein weites Feld für den Einsatz weiterer Methoden innerhalb der Methode. Freilich hängt die Nutzung dieser Möglichkeit von den methodischen Kenntnissen der Teilnehmer ab.