7. Praxiserfahrungen
In diesem Teil wollen wir Praxiserfahrungen, die wir an der Universität mit Referaten gemacht haben, in den Vordergrund stellen, um vor Gefahren zu warnen, die in der Methode Referate stecken können.
Wie viele andere haben auch wir die Erfahrung machen müssen, dass es keine langweiligeren und unproduktiveren Lehrveranstaltungen gibt als die, in denen schlechte Referate gehalten werden. Woche für Woche muss man dann, wenn die Lehrqualität nicht hinreichend kontrolliert und durch Dozierende verbessert wird, quälende 90 Minuten Seminar über sich ergehen lassen und vielen schlechten Referaten Gehör schenken. Unter Beispielen haben wir versucht, Tipps und Tricks an die Hand zu geben, um schlechte Referate zu vermeiden. Hier wollen wir eine Zusammenfassung der gravierendsten Fehler geben, die wir selbst in unserer Praxis als Zuhörer erleben mussten. Dieser Bericht trägt also subjektive Beobachtungen zusammen.
Wann wird ein Referat misslingen? – einige Beobachtungen aus der Praxis
1 Einleitung des Referats
Viele Referenten bauen sich vor dem Plenum auf, zerknittern nervös ihre Notizen und beginnen dann, ohne sich oder das Thema vorzustellen. Sie haben sich die ersten Sätze nicht hinreichend überlegt, sondern beginnen einfach ohne nähere Orientierung zu erzählen. Das Plenum hat weder Ahnung von der Person, die vor ihnen steht, noch von dem Thema des Referats, dem sie nun gespannt folgen sollen.
2 Hintergrund des Themas
Bevor das eigentliche Thema in den Mittelpunkt des Interesses rücken darf, wird zuerst ausführlich über dessen Hintergrund referiert. Der Referierende kann sich nicht von seinem gelernten Stoff trennen, er will zeigen, was er alles gemacht hat, und nicht seine Kompetenz, wie er die Fülle zu reduzieren verstand. Minutenlang lauscht man angestrengt ausführlichen Biografien oder historisch bedeutsamen Zusammenhängen, deren Sinn in Bezug auf das engere Thema sich kaum erschließt.
3 Aufmerksamkeit gewinnen
Ein häufig vorkommender unverzeihlicher Fehler ist, dass die Referenten mit dem Boden, der Wand, der Tafel oder dem Computerbildschirm reden. Sie stehen mit dem Rücken zum Plenum, sind somit schwer zu verstehen oder gar nicht mehr zu hören. Sie stellen keinen Augenkontakt mit ihren Zuhörern her. Die Referenten sind nicht in der Lage wahrzunehmen, ob ihnen das Plenum überhaupt folgen kann, ob sie zu schnell reden oder Sachverhalte nicht verstanden wurden. Sie verlieren den Kontakt, wirken damit verloren und einsam. Die Bereitschaft, ihnen dann noch zuzuhören, sinkt auf ein Minimum.
4 Gestaltung der Folien
Viele Referenten unterstützen ihren verbalen Vortrag gerne durch visualisierende Medien, z.B. Folien auf Overheadprojektoren oder Powerpoint-Präsentationen. Diese Folien unterstützen jedoch den Vortrag nicht immer wirklich, sondern verwirren die Zuhörer und stören den Ablauf oft. Große Fehler werden bei der Übersichtlichkeit der Folien gemacht, z.B. Schriftgröße viel zu klein; keine Überschriften, die zur Gliederung hätten beitragen können; alles in einer Größe und einer Farbe; statt Stichpunkte vollständige Sätze, die 1:1 den verbalen Vortrag wiedergeben bzw. ersetzen können. Auch nur Text ohne Bilder und Veranschaulichungen wirkt öde. Die Medien werden dann kontraproduktiv, wenn man zeigt, das man sie nicht richtig handhaben kann.
5 Referat = Nacherzählung?
Oft setzen Referenten in ihren Vorträgen die falschen Schwerpunkte. Die Einleitungen sind zu lang, Tabellen werden detailgetreu vor dem Plenum interpretiert und vorgelesen, Zitate minutenlang aus der Literatur wiedergegeben. Für das Fazit und die wichtige reflektierende Diskussionsrunde bzw. das Feedback bleibt meistens keine Zeit.
6 Zeitmanagement
Von Zeitmanagement scheinen viele Referenten ebenfalls nichts gehört zu haben. 90 Minuten können so lang sein. Also werden 50 Folien und mehr durchgeklickt und leuchten die Gesichter der Seminarteilnehmer der ersten Reihe gut aus. Zum Glück hat man für die Feedbackrunde nicht mehr genügend Zeit, denn alle negativen Aspekte zu benennen und zu reflektieren, dafür sind jetzt alle zu müde und wollen nur noch da raus. Die Dozenten könnten zwischendurch eingreifen, aber wenn sie alles benoten sollen, dann schweigen sie lieber zu dem Debakel und die Quittung gibt es im Nachhinein.
7 Interaktion – mit wem?
Nachdem die Aufmerksamkeit des Plenums bereits nach der Einleitung baden gegangen ist, findet keine Interaktion mit den Zuhörern statt. Die unterhalten sich sowieso nach kurzer Zeit alle und hören nicht zu, also warum sollte man dann noch mit ihnen interagieren? Wer aufzeigt und Fragen stellt, der wird schief angesehen. Steht doch alles ausführlich noch mal auf dem Handout drauf, wodurch sich die Nachfragen auch von selbst in Rauch auflösen dürften. Ist erst einmal eine solche Stimmung vorhanden, dann sinkt das gesamte Seminar in eine Depression, denn das Signal für die nächsten Referate lautet: Da kannst du wohl kaum etwas gegen machen. Die Dozenten, die dies dulden, sollten sich darüber klar sein, dass auch sie die schlechte Qualität der Lehre damit mit verschulden.
8 Handout
Das Handout verteilen viele Referenten zu den unmöglichsten Zeitpunkten, die einen Vortrag ebenfalls nur stören können, z.B. mitten drin oder am Ende der Sitzung vor der Feedbackrunde. Das Handout könnte ja eine Gliederungshilfe für die Zuhörer während des Vortrags darstellen und wird somit prinzipiell nicht am Anfang des Referats ausgeteilt. Ein dummer Fehler mit weit reichenden Folgen.
9 Literaturangaben
In vielen Referaten fehlen diese komplett oder werden zur Beschäftigungstherapie aller an die Tafel geschrieben. Die Referenten haben wahrscheinlich Angst, keiner könnte ihnen mehr zuhören, wenn die Studenten die Möglichkeit haben, die Literatur selbst nachzuschlagen. Oder sie trauern dem vergeudeten Platz auf dem Handout hinterher, an dessen Stelle sich noch mehr Input zur Biografie oder dem historischen Hintergrund hätte setzen lassen.
10 Abschlussdiskussion
Oft ist am Ende der Stunde die Zeit doch so schnell verflogen, dass gar keine Diskussion mehr möglich ist. Sollten doch noch 10 Minütchen erübrigt werden können, lässt die Anleitung zur Diskussion und die Moderation dieser oft sehr zu wünschen übrig. Keinem der Referenten will es gelingen, noch einmal zusammenfassend die zentralen Thesen ihres Vortrags darzulegen, über die man durchaus hätte diskutieren können. Lieber lässt man alles so stehen, wie es vorgetragen wurde und verschwindet schnell aus dem Seminarraum. Einer der Studenten könnte ja noch eine Frage stellen, auf die man keine Antwort parat hat.
11 Dozenten und Vorgaben
Es wäre schön, wenn sie zu Beginn des Seminars ihren Standpunkt zu Referaten erläutern und diskutieren würden. Sie sind in der Zwickmühle, da sie einerseits Referate oft benötigen, um eine aktive Teilnahme oder einen Leistungsnachweis zu erteilen und zu bewerten, andererseits kann ein Seminar nur selten gut gelingen, wenn es ausschließlich aus Referaten besteht. Wenn allerdings in der Massenuniversität manche Fächer eine Vorgabe im Verhältnis von Dozenten zu Studenten von 1:80 oder höher haben – so der deutsche Standard im Lehramt und der Pädagogik –, dann darf sich niemand wundern, dass mit Referaten dieses System schnell an die Grenzen seiner Lernwirksamkeit stößt. In anderen Fächern ist die Relation deutlich günstiger – so besonders gut in der Medizin und noch annehmbar in der Psychologie (1:40) –, so dass hier Referate besser und sinnvoller in die Lehre eingebetet werden könnten.
12 Positive Beispiele
Und dennoch gelingt es immer wieder, auch bei schlechten Vorbedingungen, sehr gute Referate zu konstruieren und lernwirksam zu vermitteln. Nach unseren Erfahrungen geschieht dies noch zu selten, aber ein Nachdenken über den Sinn und Nutzen von Referaten könnte ein beginn sein, es einmal ganz anders und besser zu versuchen. Das Plenum freut sich auf euch! |