Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

3. Theoretische und praktische Begründung

Systemische Therapie und Beratung geht davon aus, dass Menschen in einer (ihrer) Wirklichkeit leben, die sie zusammen mit anderen durch soziale Interaktion hervorbringen. Eine wichtige Rolle spielen hierbei die „Erwartungs-Erwartungen“, also das, was wir denken, was andere von uns erwarten. Der symbolische Interaktionismus spricht vom „generalisierten Anderen“ als den zusammengefassten Verhaltenserwartungen einer Person.
Bei der Methode des Reflecting Teams erzählen in einer therapeutischen Situation nun Menschen ihre Geschichte in Anwesenheit von realen Anderen, d.h. sie sprechen mit dem Therapeuten/ Berater in Anwesenheit der Mitglieder des Reflecting Teams.
Diese hören zunächst nur zu, sprechen aber nach einer gewissen Zeit ihre Gedanken über das beobachtete Gespräch – wertschätzend - aus. Aus Sicht der Klienten tun sie öffentlich, was Fachleute sonst nur hinter verschlossener Tür oder hinter dem Einwegspiegel tun, sie reflektieren ihre Beobachtungen in Anwesenheit der Betroffenen. Dadurch können die Ratsuchenden den gedanklichen Prozess der Fachleute verfolgen. Sie sind beteiligt an dem, was „die anderen Leute“ – in diesem Fall die „Experten“ – über ihren Fall denken.

Dialoge, Konversationen, Gespräche
Tom Andersen versteht das Reflecting Team als eine besondere Form des Gesprächs. Indem Menschen miteinander sprechen, tauschen sie gegenseitig ihre Beobachtungen, Gedanken, Ideen aus. Dies bezeichnet Anderson als den äußeren Dialog. Parallel dazu, findet aber in jedem der Gesprächspartner zusätzlich ein innerer Dialog statt, bei dem die Inhalte verarbeitet werden. Die Sprechenden „betrachten“ gewissermaßen innerlich den Verlauf des äußeren Gespräches, sie entscheiden, welche Gedanken sie aufnehmen, was wichtig für sie ist und was nicht.
Anderson betont den Aspekt der Selbstreferenz: „Konversationen brauchen Pausen, die ausreichen, um über den Prozess der Konversation nach zu denken. Und sie sollten langsam genug verlaufen, so dass der Geist genügend Zeit hat, die Ideen auszuwählen, an die er gern angeschlossen ist, und um die Worte zu finden, die diese Anknüpfung ausdrücken können“ (Andersen 1996, 47).

Der Wechsel der Positionen
Die Trennung zwischen der erlebenden und der zuhörenden, reflektierenden Position ist eine Kernidee des Reflektierenden Teams. Wer zuhört, nimmt nur am inneren Dialog teil und hat dadurch die Möglichkeit, die Reflexionen der anderen mit Abstand zu erleben. Der Zuhörende befindet sich in einer weniger bedrohlichen Situation. Indem dieser Position des Überdenkens und Erwägens von neuen Aspekten, ohne dafür direkt Rede und Antwort stehen zu müssen, Raum gegeben wird, erweitern sich z.B. für Ratsuchende die Möglichkeiten, „neue Ideen des Wahrnehmens, Erkennens und Handelns“ (Andersen) – und damit Veränderung – zuzulassen.

Multiversa statt Universum
Jede Beschreibung und Erklärung ist weitgehend beobachterabhängig, d.h. sie beruht auf Unterscheidungen, die der Beobachtende trifft. Andere Beobachter würden wahrscheinlich in derselben Situation andere Unterscheidungen treffen und damit auch andere Erklärungen entwickeln. Da Realität als menschliche Konstruktion unterschiedliche Versionen von Empfindungen und Deutungen darstellt, da sie in Wirklichkeiten zerfällt, die extrem vielfältig und vielschichtig sind, beruhen Beschreibungen immer auf einer Auswahl aus der Fülle aller möglichen Unterscheidungen.
Daraus folgt: Keine Beschreibung ist besser als eine andere, und – für die klinische Arbeit –suche nach allen bestehenden Beschreibungen und Erklärungen einer Situation, und fördere die Suche nach weiteren, noch nicht aufgestellten Erklärungen und Definitionen (vgl. Andersen 1996, 42).

Kooperation statt Intervention
Der Einwegspiegel, wie er zunächst vom „Mailänder Team“ beispielhaft verwendet wurde, wurde im Prozess der Entwicklung systemischer Ansätze nach und nach wieder aufgegeben. Er widerspricht als Arbeitsstruktur dem Ziel systemischer Therapie, Menschen in die Lage zu versetzen, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen, weil er nur in einer Richtung – für die Therapeuten – durchlässig und transparent ist.
Beim Reflektierenden Team wird dagegen Offenheit in beiden Richtungen angestrebt, was konkret die „Umkehrung von Licht und Ton“ (Andersen) bedeutet. E
s geht darum, dem emanzipatorischen Interesse systemischer Therapie in Inhalt und Form gerecht zu werden.

Integrität
Über die Arbeit mit dem reflektierenden Team soll ein Prozess in Gang gesetzt werden, der Möglichkeiten für Veränderung bietet. Es muss beachtet werden, dass die Unterschiede, die gemacht werden, nicht zu ungewöhnlich sind, sondern den Klienten in seiner Persönlichkeit wahrnehmen. Andersen spricht hier von „angemessen ungewöhnlich“. Diese Überlegungen basieren auf Arbeiten von Maturana und Varela, die sagen, „dass jeder Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt nur der Mensch sein kann, der er/ sie ist. Das bedeutet, dass er/sie einer bestimmten Situation nur mit einer der Reaktionsweisen begegnen kann, die er/sie in seinem/ihrem Repertoire hat. Dieses Repertoire kann allerdings im Laufe der Zeit verändert werden, indem alte Wege verblassen und neue entstehen“ (Andersen 1996, 35).
„Wenn Menschen dem Gewohnten ausgesetzt werden, bleiben sie meist dieselben. Wenn sie aber etwas Un-gewöhnlichem begegnen, könnte dieses Un-gewöhnliche eine Veränderung auslösen. Wenn nun das Neue, auf das sie treffen, sehr (zu) ungewöhnlich ist, verschließen sie sich, um davon nicht inspiriert zu werden“ (ebd., 35). Das heißt, der Klient versucht, seine Integrität zu wahren.