3.
Theoretische und praktische Begründung
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3.1. theoretische Begründung
>> 3.2. prakttische Begründung
3.1. Theoretische Begründung
Supervision ist immer praxisbezogen, da die Supervisanden Unterstützung oder Hilfe für ihr praktisches Tun erhalten. Sie ist aber ebenso theoriegestützt, da verschiedene Methoden und Settings auf soziologischen, psychologischen, verhaltenstherapeutischen, pädagogischen und kommunikationswissenschaftlichen Theorien basieren und teilweise auch verschiedenen Erkenntnistheorien zuzuordnen sind. Trotzdem steht die praktische Begründung von Supervision im Vordergrund, da die Bewertung im Endeffekt auf dem positiven Einfluss auf die praktische Berufstätigkeit des Supervisandensystems und dessen Dynamik und damit auf der Entwicklung seiner Zufriedenheit und Effektivität beruht. In sozialen Berufen gilt auch die positive Entwicklung in der Arbeit mit den Klienten als Bewertungskriterium gelungener Supervision.
Supervision wird heutzutage in vielen unterschiedlichen Gebieten eingesetzt und richtet sich an die unterschiedlichsten Adressaten. Das Augenmerk liegt in der hier vorliegenden Darstellung jedoch schwerpunktmäßig auf allen sozialen Berufen, in denen vorwiegend die menschliche Interaktion eine Rolle spielt. Trotzdem soll erwähnt werden, dass Supervision auch in anderen Bereichen (z.B. der Wirtschaft und Profit-Bereichen) Anklang findet. Die Supervisanden reichen also von Kranken- und Altenpflegern, Sozialarbeitern, Beratern, Pädagogen aller Fachrichtungen, Psychologen, Psychiatern und Therapeuten bis hin zu Führungskräften, Abteilungs-, Team- und Gruppenleitern. Neuere Felder wie Schule, Verwaltung, öffentlicher Dienst, Kirche, selbständige Unternehmen, Modellprojekte, Medizin und Industrie kommen heute als mögliche Klientensysteme hinzu (vgl. Belardi 1998: S.163-184). Abzugrenzen sind jedoch jene Bereiche, bei denen zu Gunsten von Renditen, Effizienzdenken, Machtbewusstsein und Profit psychische Abwehrfähigkeiten und Manipulationsmöglichkeiten vermittelt werden sollen und der Berufsethos vernachlässigt wird, da diese Intentionen nicht das Ziel systemisch-konstruktivistischer Supervision sein können (vgl. Buer 1999: S.22).
Allgemein wird Supervision zur Verbesserung der Arbeitssituation eingesetzt. Das Ziel hierbei ist es, durch praxisnahes Lernen und Reflektieren die Qualität des professionellen Handelns zu verbessern. Fachspezifische Kenntnisse und Kompetenzen sowie Gruppenprozesse und Reflexionsfähigkeit werden gefördert.
Supervision dient der Veränderung von Beobachtungs-, Deutungs- und Handlungsmustern des Supervisanden gegenüber seinen Klienten oder gegenüber dem Kontext, in dem er arbeitet (vgl. Schreyögg 2000: S.29-32). Sie hilft ihm eine Metaebene in seinen Beobachtungen einzunehmen und sich selbst als Beobachter, Teilnehmer und Akteur in seinem Berufsfeld wahrzunehmen. Dies ist vor allem in der Beziehungsarbeit notwendig, da hier viele paradoxe Situationen auftreten können. Der Klient bleibt nämlich immer ein Gegenüber, welches nie in seiner Gänze und Subjektivität vollständig zu erfassen ist. Deshalb sind Voraussagen über die Ergebnisse der Arbeit mit dem Klienten im gewissem Maße immer nur unsichere Hypothesen. Das Ergebnis der Beziehungsarbeit kann außerdem von zahlreichen, kaum kontrollierbaren Ereignissen und Faktoren beeinflusst werden. Der Supervisand muss ständig zwischen vertrauensvoller Beziehung und Abgrenzung zum Klienten balancieren, also das richtige Verhältnis zwischen Nähe und Distanz zur Klientel finden. Auch die verschiedenen Ansprüche und Bewertungen der Arbeit mit den Klienten durch die Klienten selbst, durch den Auftraggeber, durch die Dienstleistungsorganisation und durch die Bevölkerung können im Widerspruch zueinander stehen (vgl. Buer 1999: S.20). All diese Unsicherheiten können im Rahmen von Supervision thematisiert, neu eingeschätzt und reflektiert werden. Somit kann Supervision auch als Vorbeugemaßnahme gegen „Burn-Outs“ eingestuft werden, welche gerade in sozialen, helfenden Berufen oft auftreten. Doch auch neue Blickwinkel, Methoden und Verfahren für Inhaltsvermittlung und das Erlernen oder Üben neuer Methoden spielt in vielen sozialen Berufsfeldern eine wichtige Rolle. Dieser Aspekt wird in der bisherigen Literatur zur Supervision jedoch eher vernachlässigt.
Des Weiteren können, durch den im Rahmen des Supervisions-Settings geförderten ständigen Wechsel der Beobachterperspektiven, bestehende, problematische Deutungs- und Handlungsmuster rekonstruiert bzw. dekonstruiert werden. Sie lassen sich im Folgenden verändern. Neue Perspektiven lassen neue, kreative und reflektierte Konstruktionen oder Rekonstruktionen zu. So kann z.B. eine Sichtweise, die vorrangig die Defizite des Klienten/ Patienten sieht, in eine Perspektive umgewandelt werden, welche die Ressourcen und mögliche Lösungen fokussiert. Ein häufiger Wechsel der Beobachterperspektive führt zur Schulung einer ganzheitlicheren, systemischen Wahrnehmung des Berufsfeldes. Dabei lernen die Supervisanden den Wechsel zwischen Innen- und Außensicht, zwischen Selbst- und Fremdreflexion. Dabei erfasst der Professionelle optimalerweise sowohl die individuellen bzw. persönlichen, die interaktionistischen bzw. beziehungsmäßigen als auch die systemischen bzw. kontextspezifischen Merkmale, Strukturen und Probleme seiner Arbeit.
Supervision dient nicht nur als Ort für „Erkenntnis- und Lernprozesse zur Sicherung bzw. Verbesserung fachlichen bzw. professionellen Handelns“ (Buer 1999: S.30). Ebenso ist der reflektierte Umgang mit berufsethischen Entscheidungen, unter Berücksichtigung der Folgen für die Arbeit, Mitmenschen und Gesellschaft immer ein Ziel gelungener Supervision. Dazu gehört eine Auseinandersetzung mit den Wirkungen und Folgen des professionellen Handelns, und zwar nicht als reine Evaluation oder Kontrolle von außen sondern auch durch eine Innenschau des Handelnden, die durch Feedback, Selbstreflexion und Selbsterfahrung gekennzeichnet ist. Dass die Evaluation von außen ein fester Bestandteil von Supervision ist, scheint selbstverständlich, doch auch die Anleitung oder Unterstützung der Supervisanden zur eigenen Innensicht darf nicht vernachlässigt werden. Berufsethos spielt auch für systemisch-konstruktivistisch ausgerichtete Berater eine große Rolle, denn sie sind Teil des Gesamtsystems und der gesellschaftlichen Verständigungs- und Diskursgemeinschaft. Wenn sie unethisch handeln, so schadet das nicht nur dem anderen, sondern dem Gesamtsystem, also auch ihnen selbst (vgl. Ritter 2002: S.27-42).
Im Folgenden werden nun noch einige spezifische Supervisions-Settings, angelehnt an die Darstellung der Adressaten für Supervision von Belardi (1998: S.163-184), aufgeführt und die entsprechenden weiteren spezifischen Zielsetzungen und Begründungen angegeben. Hierbei ist anzumerken, dass die Grenzen nicht immer eindeutig sind und viele der schon oben aufgeführten und noch folgenden Aspekte in mehreren oder allen Settings vorkommen können. Es sollen jedoch mit dieser Unterscheidung die hauptsächlichen Begründungsmerkmale der verschiedenen Supervisionsformen deutlich gemacht werden.
3.2. Praktische Begründung
3.2.1
Ausbildungssupervision (Adressaten sind Auszubildende und Studierend
Die Ausbildungssupervision findet typischerweise in einer Art Meister-Lehrling-Verhältnis statt. Der berufserfahrene Professionelle hat hierbei die Aufgabe, den „Lehrling“ in der Praxis fall- und prozessbezogen zu unterstützen, sollte aber nicht überheblich auftreten. Die Vermittlung von fachspezifischen Methoden zwecks kompetenter Erfüllung der beruflichen Aufgaben, die Anleitung zum Erproben neuer Strategien, die Vermittlung von berufsbezogenem Wissen und dessen Transfer in die Praxis, sowie die Vermittlung von praktischem Können und dessen Transfer in die Theorie sind Aufgaben der Ausbildungssupervision. Sie bietet außerdem die Möglichkeit die Schnittstellen, aber auch Diskrepanzen von Theorie und Praxis zu reflektieren. Fehler werden im Rahmen der Supervision besprochen und analysiert, so dass aus ihnen ein positiver Lerneffekt resultiert und Frustration vermieden wird. Hierbei ist auch ein Austausch mit anderen Auszubildenden oder Studierenden wichtig, um verschiedene, sich ergänzende Perspektiven und Erfahrungen einbeziehen zu können. Die der Ausbildung zu Grunde liegenden Motive werden reflektiert ebenso wie die berufliche Haltung, der Berufsethos und eventuell die sich wandelnden Arbeitsfelder des Berufes. Auch die Unterschiede zwischen den Ansprüchen und Merkmalen von Person, Rolle und Funktion im Beruf können thematisiert werden. Eigene und fremde Erwartungen und Ansprüche zu unterscheiden und hierbei auch Grenzen zu setzen und einzuhalten sind Notwendigkeiten im späteren Berufsleben (vgl. Belardi 1998: S.164-170).
3.2.2 Weiterbildungssupervision (Adressaten sind Personen mit abgeschlossener Berufsbildung, die im Praxisfeld tätig sind)
Inhaltlich vermittelt diese Form der Supervision neue Kenntnisse und Methoden für den beruflichen Alltag. Die Wahrnehmung der Kompetenzen und Grenzen des Arbeitsbereiches und seine Funktion innerhalb der Organisation werden reflektiert. Supervision expliziert hier festgefahrene Deutungs- und Handlungsmuster und dekonstruiert diese gegebenenfalls. Probleme in der Beziehungsarbeit sowie in der Interaktion mit Klienten, Kollegen und Vorgesetzten sind ebenfalls zu thematisieren und in Team- oder Gruppensettings zu bearbeiten. Oft geht mit diesem Supervisionsprozess eine Auseinandersetzung mit der Organisationskultur einher, was zu einer Weiterentwicklung der institutionellen Strukturen führen kann. All dies soll zu einer Verbesserung der Klienten-, Fall-, Team- und Gruppenarbeit führen (vgl. Belardi 1998: S.170f.).
3.2.3 Qualifizierungssupervision (Adressat ist Personal, welches in Berufsfeldern tätig ist, aber nicht über die entsprechenden regulären Ausbildungen verfügt)
Sich wandelnde Arbeitsfelder sind keine Seltenheit. Deshalb ist es immer wieder notwendig, Kompetenzen, Methoden, Aufgabenbereiche, Grenzen und Möglichkeiten einer kritischen Reflexion zu unterziehen. Dies dient auch der Selbstvergewisserung im Berufsfeld. Hier setzt die Qualifizierungssupervision an. Ebenso kann sie dem Supervisanden durch nachholende Qualifizierung die entsprechenden benötigten Kompetenzen und Fähigkeiten beibringen, die durch Änderungen im Arbeitsbereich erforderlich werden. Es kommen auch Umschulungen in Frage. Ein weiterer Ansatzpunkt dieses Supervisionsbereiches ist die erfolgreiche Integration von neuem Personal in bestehende Organisationen (vgl. Belardi 1998: S.171-174).
3.2.4 Lehrsupervision (Ausbildung von Supervisoren)
Für angehende Supervisoren steht die Reflexion der eigenen Berufserfahrungen und deren Aufarbeitung ebenso wie das Erlernen von Selbstreflexion im Umgang mit anderen und die Pflege der eigenen Beziehungskompetenzen im Vordergrund. Projektionen, Übertragungen und blinde Flecken aufzudecken wird hier erlernt. Die bewusste Wahrnehmung der eigenen Einstellung zu hierarchischen Machtgefügen ist ein weiteres Ziel der Lehrsupervision, da Machtaspekte sowohl zwischen Supervisor und Supervisand als auch zwischen Supervisand und Klient, Institution, Vorgesetzten und Kollegen eine wesentliche Rolle spielen und beachtet werden müssen (vgl. Belardi 1998: S.174-177).
Die Ansätze zur Unternehmens- oder Organisationskultur sehen jede Organisation als eine spezifische Miniaturgesellschaft an, welche sich ihre eigene Realität schafft (vgl. Schreyögg 2000: S.174-182).
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