6. Reflexion der
Methode
>> 6.1 Methodenkompetenz
>> 6.2 Methodenvielfalt
>> 6.3 Methodeninterdependenz
Konstruktivistische Didaktik kann als Ermöglichungsdidaktik gesehen werden. Sie grenzt sich ab von einer bloßen Belehrungsdidaktik, von reinem Vortragsstil, von bloßer Theorievermittlung, von Lernern als passiven Rezipienten und von Eingleisigkeit in der Methodenwahl. Ihr geht es darum die Selbsttätigkeit des Lerners anzuregen, seine Neugier zu wecken und Ideen in der Praxis zu realisieren. Dafür will sie dem Lerner eine hilfsbereite Lernumgebung anbieten, die selbstorganisiertes Lernen ermöglicht, die Inhalte und Beziehungen beachtet und die dem Lerner ein großes Spektrum an Methoden und Techniken zum Umgang mit diesen bietet. Diese Methoden sollen dem Lerner nach Arnold (1999: S.11) auch als Werkzeuge zur Selbsterschließung der Lebenswelt dienen und ihm nach Reich (2002b: S.225) systemische Blickweisen auf Inhalte, Beziehungen und Kommunikation vermitteln. Konstruktivistische Didaktik legt Wert auf symbolische Deutungen, sie weiß aber auch um das Potential von Imaginationen und realen Ereignissen (vgl. Kapitel 4.3.1.3.). Konstruktivistisches Lernen kann als „aktiv-konstruktiver, selbstgesteuerter, situativer Prozess, dessen Ergebnisse nicht vorhersehbar sind“ beschrieben werden (Arnold 1999: S.12). „Der Lernende nimmt eine aktive, weitgehend selbstbestimmte Rolle ein, der Lehrende ist Berater und Mitgestalter von Lernprozessen. Lerninhalte bzw. Wissen sind nicht abgeschlossen, sie sind abhängig von individuellen und sozialen Kontexten“ (ebd.). Sieht man Supervision nun als Lern- bzw. Veränderungsprozess an, so wird deutlich, dass verschiedene Situationen, verschiedene Supervisanden bzw. Lerner und verschiedene Kontexte es nötig machen ein breites Spektrum von Methoden anzubieten und dialogisch mit den Supervisanden über die möglichen, sinnvollen aber auch unpassenden Methoden zu kommunizieren (vgl. Reich 2002b: S.227). Eine große Methodenvielfalt bietet hier die besten Ressourcen für selbstbestimmte Lernprozesse.
Supervision selbst stellt eine Art Rahmen für weitere Methoden dar. Sie muss flexibel sein und sich situativ anpassen. Die Reflexion dieser Passungen sollten gemeinsam in der Kommunikation mit allen Beteiligten geschehen (vgl. Reich 2002a: S.223). Deshalb muss Supervision demokratisch verlaufen, denn nur so wird konstruktives, selbsttätiges, handlungsorientiertes Lernen und Arbeiten in der Gemeinschaft von Supervisor(en) und Supervisand(en) möglich. Das anfangs auftretende Machtgefälle zwischen dem Supervisor als Experten und den Supervisanden als Hilfesuchenden kann hierbei durch die Maxime „Soviel Selbsttätigkeit wie möglich – soviel Instruktion wie nötig“ (vgl. Arnold 1999: S.9) erheblich geebnet werden. Systemisch-konstruktivistische Supervision ist offen für die Wirklichkeiten der Supervisanden, für ihre Deutungen von Welt und ihre Handlungsmuster. Sie bietet aber andere Sichtweisen auf diese an, indem sie den Supervisanden durch verschiedene Methoden in unterschiedlichen Beobachter-, Teilnehmer-, und Akteursrollen agieren lässt. Dabei respektiert sie immer die Freiheit der Supervisanden, daraus die Perspektiven zu wählen, die sie in ihrer beruflichen Praxis für passend, sinnvoll und integrierbar halten, und hilft ihnen wiederum durch verschiedene geeignete Methoden diese auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen. Systemisches Arbeiten ist in dieser Art von Supervision unerlässlich.
6.1 Methodenkompetenz
Bei der Wahl der geeigneten Methoden im Supervisionsprozess sollte der Supervisor sich mit den Supervisanden zusammen absprechen. Die Methode muss in Anlehnung an Reich (2002b: S.247-256) im Sinne systemisch-konstruktivistischer Didaktik
- von den Supervisanden mitbestimmt und akzeptiert werden und
- den Supervisanden ihre Selbsttätigkeit zugestehen;
- sie muss geeignet sein die entsprechenden, relevanten Inhalte zu vermitteln und/oder die Beziehungen zu beleuchten;
- sie soll zum Supervisanden und dessen bisherigen Beziehungen und Erfahrungen passen, ebenso wie zur Situation und zum Kontext;
- sie darf nicht irreführend sein oder irrelevante Ergebnisse produzieren, darf aber in passendem Maße verstörend wirken;
- sie soll die Kompetenzen des Lerners im beruflichen Denken und Handeln erweitern, seine Beziehungen und Interaktionen fördern und die Komplexität seiner Deutungs- und Handlungsmuster steigern;
- sie soll neben symbolischen Deutungen auch Imaginationen zulassen;
- sie soll ästhetisch ansprechen und optimalerweise auch Spaß machen;
- sie soll (wahrnehmbare bzw. spürbare) Ergebnisse bringen
- und diese sollen in der beruflichen Praxis des Supervisanden umsetzbar sein, also praktische Viabilität aufweisen.
Der Supervisor muss also im Diskurs mir den Supervisanden diese Punkte klären und stets seine eigene Methodenkompetenz in Bezug auf die nachgefragten Methoden reflektieren und deren Einsatz planvoll gestalten. Zu vermeiden sind Methoden, die den oben aufgeführten Punkten widersprechen, den Supervisanden objektivieren, die Sichtweisen verengen und doktrinäre Strukturen haben.
Die Abgleichung der vom Supervisor angebotenen und von den Supervisanden gewünschten Methoden muss unbedingt vor der eigentlichen Supervision stattfinden. Kommt keine Einigung zustande sollte der Supervisor den Kontrakt ablehnen. Zweifelt er während des Supervisionsprozesses an seiner Kompetenz in einer dort nachgefragten Methoden, sollte er diese nicht halbherzig durchführen. In diesem Fall kann er sich entweder durch Kollegen unterstützenlassen oder auf ebenso geeignete Methoden, die in seinem Repertoir vorhanden sind, aufmerksam machen.
6.2 Methodenvielfalt
Inhaltliches und beziehungsorientiertes Lernen in der Supervision kann mit verschiedenen Methoden verknüpft werden. Durch den Einsatz vielfältiger Methoden kann im Supervisionsprozess gewährleistet werden, dass sich den Supervisanden viele verschiedene Beobachtungs- und Handlungsperspektiven erschließen. Je mehr Methoden der Supervisand kennt, desto aktiver kann er sich an der Methodenwahl beteiligen. Abhängig von der jeweiligen Situation müssen die Methoden angepasst und variiert werden, auch eine kreative Mischung einzelner Methoden ist oft hilfreich (vgl. Reich 2002b: S.256-265). Erfahrene Berater arbeiten methodenplural oder methodenintegrativ (vgl. Belardi 1998: S.99). Der Einsatz von vielfältigen Methoden in der Supervision soll nach Reich (2002b: S.257) so gestaltet werden, dass
- sich unterschiedliche Perspektiven auf die jeweiligen Themen oder Probleme der Supervisanden ergeben und sich somit
- neue Anregungen und Lösungen bieten.
Mischung, Variation und Kontrastierung verschiedener Methoden helfen dem Supervisor und den Supervisanden
- eigene methodische Stile zu entwerfen,
- Schematismus zu vermeiden,
- die Vielfalt der Deutungs- und Handlungsmuster zu vermitteln,
- vorhandene Muster zu stören und
- neue Beobachtungsleistungen zu ermöglichen.
Neben den verbalen Methoden des Gespräches, Fragens, der Diskussion und des Diskurses stellen für die Supervision die systemischen Methoden eine wichtige Grundlage für einen gelungenen Supervisionsprozess dar. Sie
- erweitern den Wahrnehmungshorizont von Beziehungen und Inhalten,
- regen zur Relfexion der jeweiligen Situationen an,
- achten den Selbstwert der Supervisanden, können diesen erhöhen und
- tragen zur Verbesserung der Beziehungen bei (vgl. Reich 2002b: S.262-265).
Letzteres wird vor allem durch die gegenseitige Wertschätzung und somit auch die Förderung des Selbstwertgefühls erreicht. Durch die Prinzipien der Selbsttätigkeit, Selbstbestimmung, Selbstverantwortung, Teilnehmerorientierung, Lösungsorientierung, Kontextorientierung, Perspektivenvielfalt, Zirkularität, Viabilität und durch das richtige Verhältnis von Nähe und Distanz, von Unterstützung und Verstörung, kann dies gewährleistet werden (vgl. Reich 2002b: S.294).
Zu den systemischen Methoden gehört die Arbeit mit Informationsquellen, systemische Gesprächsführung und systemisches bzw. zirkuläres Fragen, die Arbeit mit geeigneten Repräsentationsformen für Systeminformationen, mit metaphorischen und imaginativen Methoden. Ebenso kann das Psychodrama hinzugezählt werden, wenn man dieses an dieser Stelle als eine integrativ einsetzbare Methode im Rahmen der systemisch-konstruktivistischen Supervision ansieht und nicht als grundlegendes Theoriekonzept. Die genannten Methoden werden im Folgenden kurz dargestellt:
Arbeit mit Informationsquellen
Diese Methoden finden ihre Verwendung vor allem in der Sondierungsphase vor der eigentlichen Supervision. Durch Anmeldebögen, Telefonate, Fragelisten, Vorgespräche und Akten können viele relevante Informationen gesammelt werden, die zur Klärung der Ziele, Wünsche und Rahmenbedingungen der Supervision beitragen und auch für den Supervisionsprozess selbst nützlich sein können. Die Interpretation der Daten sollte allerdings thematisiert werden, da auch hier verschiedene Beobachtungsleistungen der einzelnen Beobachter zu erwarten sind (vgl. von Schlippe 20002: S.127-129).
Systemische Gesprächsführung
Systemische Gesprächsführung geht davon aus, dass durch Dialog bei den Beteiligten eigene Ideen angeregt werden. Auch das systemische bzw. zirkuläre Fragen dient nicht nur der Informationsgewinnung und der Anregung von Output, sondern schafft auch immer Information und ist somit zugleich ein Input ins System, also ein Anstoß für Veränderung. Systemisches Fragen beschäftigt sich mit den wechselseitigen Beziehungsangeboten, -definitionen und –prozessen, betrachtet diese aus verschiedenen Perspektiven und erzeugt somit neue Information neben den bestehenden Mustern. Frage und Intervention gehen dann Hand in Hand. Beziehungsmuster werden reflektiert, ohne sich in inhaltliche Auseinandersetzungen zu verstricken (vgl. von Schlippe 2002: S.137-142). Verschiedenen Frageformen sind hier nach von Schlippe (vgl. ebd.: S.143-163) z.B. Klassifikationsfragen, Prozentfragen, Übereinstimmungsfragen, Subsystemvergleiche, Fragen zur Wirklichkeitskonstruktion (dazu gehören Fragen zum Auftragskontext und zum Problemkontext) und Fragen zur Möglichkeitskonstruktion (lösungsorientierte Fragen bzw. „Verbesserungsfragen“, problemorientierte Fragen bzw. „Verschlimmerungsfragen“ und Kombinationen dieser beiden Frageformen). Auch die Kommentierung der vorgebrachten Inhalte und Beziehungen spielt in der systemischen Gesprächsführung eine wichtige Rolle. Hier können sowohl die grundsätzlich positive und wertschätzende Konnotation, das Reframing (Umdeutung) und die Technik des Splittings zum Erhalt einer systemischen Sichtweise und zur Verbesserung des Selbstwertgefühls der Teilnehmer von Supervision dienen (vgl. ebd.: S.175-182).
Repräsentationsformen für Systeminformationen
Hierzu zählen Genogramme, Systemzeichnungen und Organigramme. Sie alle dienen zur übersichtlichen Darstellung komplexer Systeme durch geordnete Zeichnungen mit festgelegten Symbolen und wichtigen Informationen. Das Genogramm stellt das Familiensystem einer Person dar. Wichtiger für die Supervision scheinen jedoch die Systemzeichnungen bzw. Soziogramme und die Organigramme zu sein. Erstere beschäftigen sich mit den Beziehungen in einem System. Hierbei werden festgelegte Symbole für Allianzen, Koalitionen, Konflikte, verdeckte Konflikte, umgeleitete Konflikte, distanzierte Beziehungen, enge Beziehungen, ambivalente Beziehungen und machtvolle Positionen verwendet (vgl. Ritscher 1998: S.50-54; von Schlippe 2002: S.132-134). Die Inhalte dieser Repräsentationsform für Systeminformationen sind als vorläufige Hypothesen und Ausgangspunkte für neue Beobachtungsperspektiven zu betrachten. Organigramme beschreiben meist die hierarchischen Strukturen der Organisation. Diese Strukturen zu kennen ist wichtig, um die systemischen Verflechtungen der Supervisanden berücksichtigen zu können. Organigramme können als Initiator für Gespräche über Arbeitsbeziehungen dienen; hier kann auch die Erarbeitung und Gegenüberstellung von informellen und formellen Organigrammen hilfreich sein (vgl. von Schlippe 2002: S.134f.).
Metaphorische Methoden
Hierzu zählen Methoden, die den Supervisanden und dem Supervisor vermittelt über ästhetisch ansprechende, imaginationsaktivierende, erlebnisintensivierende Symbolisierungen neue Sichtweisen und Zugänge zur Darstellung und Reflexion von Situationen, Fällen, Ereignissen, Beziehungen, Zuständen, Kontexten usw. ermöglichen. Zu diesen gehören nach von Schlippe (2002: S.164-174) Skulpturarbeit und Systembretter, Videokonsultation und Live-Supervision, Problemexternalisierung, Metaphern, analoge Geschichten, Witze und Cartoons. Außerdem ist hier noch die Methode des Psychodramas zu nennen.
Skulptur und Systembretter
Die Skulptur dient zur Visualisierung sozialer Systeme bzw. Teilsysteme. Der Supervisand nimmt diese dann nicht linear in Form von Sprache auf, sondern durch Bilder und verschiedene Perspektiven darauf bzw. darin. So können neue Ideen und Hypothesen entstehen (vgl. Ritscher 1998, S.54f.). Skulpturen lassen sich mit Hilfe von Personen erstellen, was den Vorteil hat, dass die Personen direktes Feedback über ihre Positionen, Gefühle und Beobachtungen geben können, aber auch mit Hilfe von Stühlen oder Puppen lassen sich Skulpturen gestalten. Sie können von einem einzelnen Supervisanden, von mehreren Teilnehmern der Supervision oder vom Supervisor erstellt werden. Der Einsatz von Systembrettern, von denen es verschiedene Ausführungen gibt, kann ebenso als Skulpturarbeit angesehen werden (vgl. von Schlippe 2002: S.168).
Videokonsultation und Live-Supervision
Bei der Videokonsultation wird der Supervisand in seiner beruflichen Praxis gefilmt. Der Supervisor filtert dann Interaktionssequenzen, von denen er themenbezogene, relevante Ausschnitte mit den Supervisanden in der Supervision ressourcenorientiert reflektiert. Die alltägliche berufliche Praxis wird damit bewusst gemacht und in Sprache gefasst. So wird das Erkennen beziehungsmäßiger Abläufe und Strukturen vereinfacht, die in der Praxis selbst oft verborgen und unbewusst bleiben (vgl. von Schlippe 2002: S.169).
Bei der Live-Supervision werden die Supervisanden direkt in ihrer Praxis von den Supervisoren, welche sich mit im Raum oder hinter einer Einwegscheibe befinden, beobachtet. Diese greifen mit in den Prozess ein, z.B. als „Reflecting Team“ oder durch Diskussionen in den Pausen. Teilweise wird an dieser Methode die zu autoritäre Einflussnahme des Supervisors auf den Supervisanden kritisiert. Es wird befürchtet, dass der direkte Eingriff bei der Live-Supervision nicht genügend Raum für die Entwicklung eigener Arbeitsstile bietet. Positiv ist jedoch die entstehende Transparenz in der jeweiligen Institution zu bewerten (vgl. ebd.: S.222-226). Daraus folgt meist: „weniger Phantasien übereinander, aber mehr handfeste Kritik aneinander und Auseinandersetzungen miteinander“ (ebd.: S.226).
Problemexternalisierung
Die Problemexternalisierung grenzt durch einen sorgsamen Sprachstil das Problem von der persönlichen Identität der betreffenden Person, in unserem Falle dem Supervisanden, ab. Oft bekommt das Problem einen eigenen Namen zugeschrieben. So wird es aus den selbsterhaltenden Deutungsmustern, welche die Person selbst als Problem-Person definieren, externalisiert und kann als veränderbares, eigenständiges Thema reflektiert werden. Durch systemische Fragetechniken werden Ausnahmen gesucht, in denen das externalisierte Problem nicht gemäß den bestehenden Erwartungen, Deutungen und Regeln auftritt, um so die verborgenen Ressourcen für Veränderungen zu erkunden. Es besteht die Möglichkeit das Problem so zu beseitigen, oder durch Veränderung der Deutungs- und Handlungsmuster die positiven Eigenschaften des Problems zu Nutzen (vgl. von Schlippe 2002: S.169-172).
Metaphern, Analoge Geschichten, Witze, Cartoons
von Schlippe (2002: S.173f.) zeigt auf, dass Metaphern, Analoge Geschichten, Witze und Cartoons, ohne scheinbar direkt etwas mit dem Thema zu tun zu haben, neue Denkbahnen beim Supervisanden öffnen, denn sie stellen einen Input ins System dar, welcher den gewohnten Mustern nicht unbedingt entspricht und lösen so einen Sinnfindungsprozess aus, der zu kreativen Ideen führen kann. Dies kann auch bei Themen von Nutzen sein, deren konkrete Verbalisierung dem Betreffenden unangenehm ist.
Psychodrama
Die darstellende Methode des Psychodramas scheint für Supervision gut geeignet zu sein und findet häufige Anwendung. Durch psychodramatisches Rollenspiel kann der Supervisand eine breit gefächerte Multiperspektivität erleben und neue Handlungsmöglichkeiten entdecken (vgl. Buer 1999: S.68). Dies wird durch den Einsatz von Techniken, wie z.B. Imaginationsübungen, Zukunftsexplorationen, Spiegeln, Doppeln, Rollentausch, Rollenwechsel, Monologisieren, Externalisierung, Programmieren, „behind your back“ und „Innenkreis-Außenkreis“, in bestimmten Phasen des Psychodramaprozesses gewährleistet (vgl. Schreyögg 2000: S.359-366; Ritscher 1998: S.58-62). Im psychodramatischen Rollenspiel können auch Zukunftsszenarien gespielt und reflektiert werden, was ein Ausprobieren von Ideen und Lösungen vor dem eigentlichen Einsatz in der beruflichen Praxis möglich macht.
Viele weitere Methoden sind im Rahmen systemisch-konstruktivistischer Supervision integrierbar. Beispiele dafür sind Blitzlicht, Biografiearbeit, Brainstorming , Fallstudien, Feedback, Johari-Fenster, Mindmapping, Moderation, Reframing, Reflecting Team und Rollenspiele. Auch die Arbeit mit Übertragung und Gegenübertragung aus der tiefenpsychologischen Supervisionsrichtung kann den Supervisanden in gewissem Rahmen neue Perspektiven eröffnen.
Wie Schreyögg (2000: S.385-404) erläutert, lassen sich die verschiedenen einsetzbaren Methoden durch kreative Materialmedien noch unterstützen und bereichern.
Kreative Materialmedien
Medien dienen zur Informationsübermittlung und können hier Bereiche darstellen, die sprachlich, mimisch und gestisch nur schwer zu handhaben sind, also dabei helfen Informationen, die vermittelt werden sollen, schneller, genauer, sinnvoller und ästhetisch ansprechender darzustellen. Dabei sind sie unterschiedlich gut für die Anregung von Imagination (z.B. ein Bild malen oder etwas mit Ton gestalten) oder die Übermittlung von Sachinformationen (z.B. Metaplan) geeignet. Außerdem können verschiedene Medien dem Selbstausdruck des Supervisanden dienen oder ihn sogar zu neuen Formen des Selbstausdruckes anregen und so neue Denk- und Handlungsmuster aufzeigen (vgl. Schreyögg 2000: S.385-393).
Kreative Materialmedien sollten passend zu den Supervisanden angeboten, besser noch mit diesen gemeinsam bestimmt werden. Denn verschiedene Medien sprechen z.B. unterschiedliche Sinne an. Ob der Supervisand etwas besser über optische (z.B. Malstifte), akustische (z.B. Musikinstumente) oder kinästhetische (z.B. Knetmasse) Medien vermitteln oder empfangen kann, sollte berücksichtigt werden. Ebenso enthält jedes Medium schon von sich aus eine „eigene Ladung“ (vgl. ebd.: S.390-393). So können Medien, wie z.B. Handpuppen, an die Kindheit erinnern und eine Typisierung als „Kinderspielzeug“ beinhalten. Diese Zuschreibungen können wiederum für das gleiche Medium, abhängig von den Supervisanden, variieren. Ein Spielzeug-Hund kann z.B. entweder einen treuen Gefährten oder eine Bedrohung darstellen. Diese Zuschreibungen und Wahrnehmungen der Medien müssen abgeklärt werden.
Kreative Materialmedien sind mit verschiedenen Methoden kombinierbar. Dabei sollte ihre Eignung bezogen auf die personalen, themenspezifischen und kontextspezifischen Faktoren der jeweiligen Supervisionssituation beachtet werden. Sie können zur Rekonstruktion von Situationen, zur Problembestimmung, zur Veränderung von Deutungs- und Handlungsmustern sowie zur besseren Informationsvermittlung dienen (vgl. ebd.: S.404).
6.3 Methodeninterdependenz
Die vielfältigen Möglichkeiten Methoden in der Supervision einzusetzen machen es notwendig diese nicht willkürlich, sondern geplant zu verwenden. Durch die Kombination und Variation können hierbei inhaltliches und beziehungsmäßiges Lernen auf viele Weisen berücksichtigt werden. Diese Kombinationen von Methoden ergeben einen eigenen Stil der jeweiligen Supervision, die von allen Teilnehmern und deren Präferenzen, Kompetenzen und Wünschen abhängt. Abhängig von der jeweiligen Situation werden sich bestimmte Methoden anbieten und ergänzen. Die Teilnahme aller Beteiligten an der Auswahl dieser Methoden begünstigt dann die Entwicklung eines wertschätzenden, demokratischen Beziehungsstils, und dieser soll auch durch die Methoden selbst vermittelt werden, um eine gesunde, kommunikative und metakommunikative Basis für die Supervision zu schaffen und zu erhalten. Dabei ist die Wahl der Methoden aber nicht beliebig (vgl. Reich 2002b: S.267), sie muss reflektiert gestaltet werden, um die gegenseitigen Einflüsse der Methoden und ihre Wirkungen auf die Supervisionsteilnehmer und deren Lernziele einschätzen zu können. Systemische Methoden können z.B. gezielt die Beziehungskompetenzen im Sinne von kognitiver und emotionaler Empathie fördern, indem sie den Supervisanden in verschiedene Selbst- und Fremdbeobachtungsperspektiven einführt (vgl. ebd.: S.270). Auch die unter dem Punkt „Methodenkompetenz“ (Kapitel 6.1.) angeführten Anforderungen an die Methoden systemisch-konstruktivistischer Supervision müssen bei Variation und Mischung verschiedener Methoden berücksichtigt werden. Der Stil der Supervision sollte sich am Lerner, also am Supervisanden orientieren, damit für ihn eine lernbegünstigende Anschlussfähigkeit gegeben ist und die angewendeten Methoden seinem Lernstil entsprechen, diesen erweitern und bereichern. Als Supervisionsstil ist aber nicht ein festgelegtes, starres Muster gemeint, das immer wieder zur Anwendung kommt, sondern eine Lernumgebung, die dem Lerner Partizipation an und Zugang zu neuen Methoden bietet. Dadurch erweitern sich die Lernkompetenzen und die Kompetenzen in der Methodenwahl des Supervisanden. So kann er konstruktiver mit den Methoden und den Lerninhalten umgehen und einen eigenen Lernstil entwickeln (vgl. Reich 2002b: S.269). Die angeeigneten Lernmethoden und –stile kann der Supervisand für seine praktische Arbeit nutzen und ggf. auch selber partizipativ anbieten. Der Supervisor sollte sich also immer potentieller Variations- und Kombinationsmöglichkeiten von Methoden bewusst sein und diese auf ihre Anwendbarkeit und Wirkungen in bestimmten Situationen einschätzen können, zumindest soweit, dass sie der systemisch-konstruktivistischen Supervision zuträglich sind und dem Supervisanden potentiell eine Bereicherung der Deutungs- und Handlungsmöglichkeiten bieten oder zur Verbesserung seiner Situation beitragen können, ohne ihn in seiner Freiheit, seinem Selbstwert und seiner Selbstbestimmung zu kränken. |