Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

5. Beispiele

Ritscher (1998: S.65-186) erläutert in seinem Buch je ein detailliertes Beispiel zur Supervision mit dem Genogramm, mit dem Rollenspiel, mit der Skulptur, mit dem Systembrett, mit dem „Leeren Stuhl“ und ein Beispiel mit einer Einladung zum „Runden Tisch“ als Folge einer Supervision. Zwei konkrete Fallanalysen führt Belardi (1998: S. 103-105: Sozialarbeiter im Ministerium; S.122-126: Leitungsteam-Beratung in einer Drogenklinik) an. Die Ausführlichkeit dieser Beispiele macht ihre Zitation in dieser Arbeit unmöglich. Jedoch finden sich bei Ritscher, Belardi und von Schlippe auch weniger detaillierte, exemplarische Beispiele. Da ich aus meinen eigenen Erfahrungen für diesen Bereich keine geeigneten Beispiele geben kann, möchte ich diese nun aus den angegebenen Quellen für einen Überblick über verschiedene Supervisionssituationen wörtlich übernehmen:


5.1 Beispiele für Sondierungsgespräche:

„Ein Fachdienst in einer großen Einrichtung bekommt die lange gewünschte Supervision finanziert. Allerdings soll von Seiten der obersten Geschäftsführung diese Supervision der Erreichung eines Zieles (der Absicherung und Beschleunigung einer Organisationsreform) dienen, die von der Mehrzahl der Fachdienstmitarbeiter abgelehnt wird. Der Supervisor lädt daher zum ersten Termin einen Vertreter der Geschäftsleitung ein und erkundet, inwiefern Supervisionsziele von Geschäftsleitung und Fachdienstmitarbeitern sich decken oder sich widersprechen. Dabei kommt heraus, dass der Geschäftsleitung diese Supervision ziemlich egal ist, sie damit den Mitarbeiterwünschen entgegenkommen wollte, die Finanzierung in der Gesamteinrichtung aber nur vertreten konnte, wenn die Supervision mit einem ganz anderen Ziel als dem der Mitarbeiter nach außen begründet wird. Damit sind alle zufrieden und die weitere Supervision wendet sich frei von Paranoia den Problemen und Wünschen der Fachdienstmitarbeiter zu.“ (von Schlippe 2002: S.150)
„Das Team einer Beratungsstelle, das zum großen Teil aus Frauen bestand und deren Klientel ebenfalls zum größten Teil Frauen sind, zeigte sich nicht einig, ob ein Supervisor oder eine Supervisorin mit der Supervision beauftragt werden sollte. Für einen Teil des Teams war darüber hinaus die Frage ungeklärt, ob Supervision überhaupt notwendig sei, und wenn ja, für alle verpflichtend sein solle. Ich schrieb dem Team einen Brief, in dem ich auf diese ungeklärten Fragen hinwies und ein weiteres Erstgespräch vorschlug. Um genügend Zeit für die Klärung zu haben, sollte dafür ein ganzer Tag zur Verfügung stehen. Ich ließ mich dabei auch von der Idee leiten, dass allein schon die teaminterne Diskussion über dieses zweite, sehr zeit- und kostenaufwendige Erstgespräch zu einer weiteren Klärung hinsichtlich des pro und contra von Supervision beitragen könnte.“ (Ritscher 1998: S.36)


5.2 Beispiel für eine ineffiziente Supervision auf Grund eines „geheimen Auftrages“:

„Die Klärung der Nachfrage nach Supervision ergibt, dass der Supervisor vor allem aufgrund seines akademischen Titels ausgewählt wurde. Ein Chefarzt möchte sich nun einmal nicht von einem nichtpromovierten Sozialarbeiter beraten lassen. Der Supervisor nimmt den Auftrag geschmeichelt an und versäumt es, die Hintergründe des Supervisionswunsches und die Wahl seiner Person genauer zu untersuchen. Die Supervision scheitert allerdings in erster Linie, weil der Chefarzt ein sehr formales und naturwissenschaftlich geprägtes Verständnis von seiner Führungsrolle hat und aus diesem Grund immer wieder mit den Mitarbeitern in Konflikt geriet. Jedoch diese Haltung hatte die Wahl des Supervisors beeinflusst. Eine Thematisierung dieses Verhaltens hätte unweigerlich die Beschäftigung des Supervisors in Frage stellen müssen. Die zeitweilige Tätigkeit des Supervisors beruhte deswegen auf einer unlösbaren Paradoxie: ‚Verbessere die Arbeitssituation in der Klinik’, lautete die verbale Seite des Auftrages durch den Chefarzt. ‚Du bist nur hier, weil du meine Arbeitsweise nicht hinterfragt hast’, lautet dagegen die nonverbale Mitteilung.“ (Belardi 1998: S.78f.)

 

5.3 Beispiel für Supervision in einer sich wandelnden Institution:

„Eine schon lange bestehende Erziehungsberatungsstelle hat in den letzten drei Jahren heftige Veränderungen durchgemacht. Der Träger verlangt mehr Öffnung nach außen, mehr gemeindepsychologische Arbeit und stellt eine neue Leiterin ein, die diese Orientierung durchsetzen soll und will. Sie sucht dafür unter anderem systemisch orientierte Fallsupervision. Für die älteren, meist tiefenpsychologisch ausgebildeten, sehr erfahrenen Mitarbeiter stellt dies eine Entwertung und Infragestellung ihrer bisherigen Arbeitsweise dar. Die Supervision kommt schließlich mit der Vereinbarung zustande, darin einerseits systemisch-familientherapeutisches Handwerkzeug fallbezogen zu trainieren, andererseits aber bei allen Fällen jeweils zu prüfen, wo tiefenpsychologische Einzel- und Gruppentherapie auch aus systemischer Sicht sinnvoll wäre, und welche der „alten“ tiefenpsychologischen Qualifikationen für die „neue“ Arbeit weiterhin nutzbar bleiben (z.B. die Arbeit mit Übertragung und Gegenübertragung, mit Träumen, Spieltherapie mit Kindern usw.).“ (von Schlippe 2002: S.223)

 

5.4 Beispiel für den Einsatz einer Skulptur:

„Eine in sich sehr verstrickte Familie wurde dargestellt. Bei allen Mitspielerinnen der Skulptur fiel auf, dass sie von der „Bildhauerin“ in eine sehr unbequeme Körperhaltung gebracht wurden. Ich schlug eine zweite Skulptur mit der Aufgabe vor, dass alle Mitspielerinnen sich und ihre Position so lange verändern sollten, bis sie sich einigermaßen wohl fühlen. Es war für alle sehr aufschlussreich zu beobachten, wie jede Veränderung einer Mitspielerin eine (nicht immer positiv aufgenommene) Veränderung der anderen Beteiligten mit sich brachte: der systemische Prozess wird hier ganz konkret.“ (Ritscher 1998: S.56)

 

5.5 Beispiel für den Einsatz des psychodramatischen Rollenspiels:

„Die Sozialarbeiterin eines Allgemeinkrankenhauses soll die Unterbringung eines ca. 50 jährigen schwer krebskranken und psychiatrisch auffälligen Mannes in einem Pflegeheim organisieren, da seine Mutter bei der er bislang lebte, z.Zt. in der gleichen Klinik liegt, und wegen psychiatrisch definierter Probleme in ein psychiatrisches Krankenhaus verlegt werden soll. Auch nach ihrer Entlassung wird sie nicht mehr den Haushalt für sich und den Sohn führen können. Der Patient will aber weiterhin bei ihr leben. Die Sozialarbeiterin wird deshalb in den nächsten Tagen ein Gespräch mit ihm und der Mutter über realistische Unterbringungsmöglichkeiten führen.
Dieses Gespräch nehmen wir im Rollenspiel vorweg.
Die Sozialarbeiterin spielt sich selbst, ein Kollege den im Bett liegenden Patienten, eine andere Kollegin die daneben sitzende Mutter. Wir beginnen das Spiel mit dem „Programmieren“: Die Sozialarbeiterin weist die Mitspielerinnen in ihre Rollen ein, indem sie sich hinter sie stellt, die Hände auf deren Schultern legt und in der Ich-Form wichtige Informationen über deren Rolle und die Beziehungen zu den anderen im Spiel präsenten Rollen gibt. (‚Ich heiße Herr Müller, bin 52 Jahre alt, krebskrank, liege seit 3 Monaten in der Klinik; ich lebe bei meiner Mutter und kann mir nicht vorstellen, wie ich allein, ohne sie wohnen könnte…; die Sozialarbeiterin war schon zweimal da, und will mich immer zu etwas überreden, was ich nicht will…’) Dann beginnen wir mit der Eingangsszene: Die Sozialarbeiterin „schlüpft“ für kurze Zeit in die Rolle des Patienten, der den Patienten spielende Kollege in die der Sozialarbeiterin. So kann sie, die als einzige in der Runde den Patienten kennt, dessen Darsteller weitere Informationen über sein Verhalten in der Szene geben. Nach kurzer Zeit wird der Rollentausch wieder rückgängig gemacht. Das Gespräch geht weiter, bis ich den Eindruck habe, dass die Sozialarbeiterin nicht versteht, was ihr der Patient neben allen Worten noch sagen möchte. Dann schlage ich wieder einen Rollentausch vor, um ihr eine kurzfristige Übernahme seiner Perspektive zu erleichtern. Nach dem Rücktausch der Rollen und einer weiteren Interaktion schlage ich vor, dass alle drei darüber monologisieren, welche unausgesprochenen Gedanken und Gefühle sie gerade bewegen. Dabei stellt sich heraus, dass der Sohn mit seinem möglichen nahen Tod beschäftigt ist, und den Wunsch hat, dass man das respektiert. An diesem Punkt beginnt die Sozialarbeiterin mit ihm Fragen zu erörtern, was er braucht, um sich damit zu beschäftigen, und wo das möglich ist. Der Patient wird jetzt viel gesprächiger und zum ersten Mal kann über realistische Optionen für die nächste Zeit gesprochen werden. Zum Abschluss des Rollenspiels geben alle Mitspielerinnen und Beobachterinnen ihre Eindrücke wieder und wir sprechen über angemessene Interventionen in dieser Situation.“ (Ritscher 1998: S.59f.)

 

5.6 Beispiel für die Kombination verschiedener Methoden (zirkuläres Fragen, Skulptur und psychodramatisches Rollenspiel):

„Das Team eines aus einer Kollegin und zwei Kollegen bestehenden Sozialpsychiatrischen Dienstes findet seine Teamgespräche unbefriedigend. Zwar versucht man organisatorische Fragen in allen Einzelheiten zu besprechen, aber der Austausch über konzeptionelle Fragen und auch der mehr ‚persönliche’ Kontakt bleiben dabei auf der Strecke. Ein männliches Teammitglied hat darüber hinaus gegenüber einer Kollegin Schuldgefühle, dass sie mehr (mühsame) Einzelkontakte habe als er. Ich schlage ein Rollenspiel vor, in dem das Team sich selbst spielt. Die erste Szene spielt in der Wohnung des Kollegen, der sich gedanklich auf das Teamgespräch am heutigen Vormittag vorbereitet; in diesem will er mit seiner Kollegin über die Schuldgefühle sprechen. Nach seiner Ankunft beginnt das Teamgespräch. Innerhalb kürzester Zeit sind beide in ein Gespräch über die Schuldgefühle verwickelt; mehrere Versuche des dritten Kollegen, in die Interaktion einzusteigen, misslingen. Ich doppele diesen: ‚Wenn ich hier nicht aufpasse, bin ich in kurzer Zeit ganz draußen’. Nun wird die Dreierstruktur Thema. Ich beginne, den einzelnen Rollenspielern zirkuläre Interviewfragen zu stellen; dazu setze ich mich neben sie. Die Beziehung der beiden Männer wird immer mehr das Thema. Über einen Stuhl führe ich den Vorgänger des dritten Kollegen ein. So entsteht für kurze Zeit eine Skulptur, die dann durch Monologisieren wieder in ein kurzes Rollenspiel übergeht. Zum Schluss geben alle aus ihren Rollen ein Feed-Back und die am Rollenspiel nicht beteiligten Mitglieder des Systems teilen ihre Beobachtungen mit. (An der Supervision nahmen noch Mitarbeiterinnen aus anderen Teams der Gesamtorganisation teil.)
Ich frage zum Abschluss, welche Konsequenzen die heutige Teamberatung in der nächsten Zeit haben soll. Als von allen drei Teammitgliedern der Wunsch geäußert wird, die Teambeziehungen weiter zu reflektieren, schlage ich ein Experiment vor, das in der nächsten Supervision ausgewertet werden soll.“ (Ritscher 1998: S.61f.)

 

5.7 Beispiel einer Live-Supervision mit Videokonsultation:

„Im Fall einer depressiven alleinerziehenden Mutter mit zwei sehr ausagierenden jugendlichen Söhnen nutzte der Supervisor die Situation, als einer der Söhne an der Videokamera im Therapieraum herumzuschrauben begann. Mit einem Monteurskoffer betrat er den Raum, stellte sich als Videotechniker vor, machte eine dramatische Szene und hörte damit nicht auf, bis die Mutter sich entschied ihren Sohn darauf zu verpflichten, gemeinsam mit ihm die Kamera zu ‚reparieren’. Dieser Prozess machte der Mutter (ohne dass dies von irgendwem ausgesprochen wurde) deutlich, dass sie mit Erfolg ihren Sohn dazu bringen konnte, Verantwortung für seine Handlungen zu tragen. Alle weiteren Interventionen konzentrierten sich dann auf diesen Fokus.
Die je drei Therapien des vorausgegangenen Nachmittages wurden am nächsten Morgen in ebenso langen Video-Supervisionen exzerptweise (meist mehrere Sequenzen zu fünf bis acht Minuten) angesehen und diskutiert, alternative Optionen erarbeitet und gelegentlich in sehr kurzen Rollenspielsequenzen erprobt.“ (von Schlippe 2002: S.225)